Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Gewerkschaften, Attac und Co wollen „umfairteilen“:
Ein Rückzugsgefecht der Empörung in drei Etappen
Ein Aktionsbündnis aus Gewerkschaften und Sozialverbänden, das eine stärkere Besteuerung der Reichen fordert und zunehmend an Anhängern aus verschiedenen „Lagern“ gewinnt, beklagt ausgiebig die Missstände in der Gesellschaft und wollen „umfairteilen“.
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Gewerkschaften, Attac und Co wollen
„umfairteilen“:
Ein Rückzugsgefecht der Empörung in drei
Etappen
Ein Aktionsbündnis aus Gewerkschaften und Sozialverbänden, das eine stärkere Besteuerung der Reichen fordert und zunehmend an Anhängern aus verschiedenen „Lagern“ gewinnt, beklagt ausgiebig die Missstände in der Gesellschaft:
„Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (SZ) hat sich laut Berichtsentwurf das Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren von knapp 4,6 auf rund 10 Billionen Euro mehr als verdoppelt. Dabei gehört den reichsten zehn Prozent mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens. Der unteren Hälfte der Haushalte bleibt gerade noch gut ein Prozent.
Laut Bundesarbeitsministerium, das für den Berichtsentwurf zuständig ist, geht auch bei der Lohnentwicklung die Schere zwischen Besser- und Schlechterverdienenden immer weiter auf… ,Eine solche Einkommensentwicklung verletzt das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung‘, werde dazu im Bericht angemerkt.
Während also das Privatvermögen der ohnehin schon Wohlhabenden stark gestiegen ist und auch Gutverdiener sich weiter absetzen, bleiben dem Staat immer weniger Mittel, um seine sozialen und bildungspolitischen Aufgaben zu erfüllen.“ (http://www.gew.de/Reiche_Reiche_armer_Staat.html)
Was die Urheber der Kampagne an den Anfang ihrer „Umfairteilungs“-Idee stellen, ist also die – nach ihrem Geschmack zu große – Scheidung zwischen Arm und Reich im Kapitalismus:
„Zur Beteiligung am bundesweiten Aktionstag ruft der DGB auf. Thema ist die ,Schere zwischen Arm und Reich‘.“ (www.nwzonline.de)
Inwiefern ist das nun „Thema“? Will man das gefühlt fünfhundertjährige Jubiläum der Schere feiern? Und den gefühlt tausendsten Jahrestag des Klagens über sie? Oder will man sie vielleicht auch mal weghaben? Ist Letzteres der Fall, so müsste man sich fragen, wie die Armut in dieser Gesellschaft eigentlich zustande kommt und ob es nicht einen systematischen Grund für sie gibt. Dadurch, dass der Staat angeblich zu wenig Mittel zu ihrer Bekämpfung hat, kann die viel beklagte „Schere“ jedenfalls nicht entstanden sein – zumindest, wenn man den Gesetzen der Logik folgt. Viel näher läge da schon der Schluss auf die herrschende Produktionsweise und die für sie charakteristischen Einkommensarten, die die einen reich machen und die anderen offenbar nie aus ihrer Armut befreien. Womöglich kommt sogar noch erschwerend hinzu, dass die Bereicherung der einen und die Verarmung der anderen im Kapitalismus notwendig zusammengehören, und zwar so, dass die Verarmung als Mittel der Bereicherung dient. Davon, dass die „reichsten Teile der Bevölkerung“ für ihre Gewinne Lohnsenkung und Entlassungen betreiben, müssten inzwischen nicht bloß die Anhänger der „Umfairteilungs“-Idee, sondern jeder gewöhnliche Zeitungsleser was mitbekommen haben.
Doch die Initiatoren des Bündnisses machen gar keine Anstalten, der von ihnen beklagten „Vermögensverteilung“ auf den Grund zu gehen. Stattdessen nehmen sie lieber Abstand von ihrem Thema, indem sie ihm einen neuen Gegenstand ihrer Aufregung unterschieben: Gerade eben ging es noch um Armut und Reichtum als solche, schon empört man sich bloß noch darüber, dass beides seit gestern größer geworden ist. Ob man die berühmte „Schere“ ganz aus der Welt schaffen könnte, mag dahingestellt sein – aber muss sie denn wirklich immer weiter aufgehen?!
Einmal ernst genommen, wirft auch das nur die Frage nach dem politökonomischen Grund auf, mit dem sich spätestens jetzt zu befassen wäre. Allerdings ist es leider wieder so, dass das Bündnis fürs „Umfairteilen“ das Aufgehen der „Schere“ zwar schlimm findet, sich aber nicht weiter damit aufhält und den eigentlichen Skandal auf etwas anderes projiziert: Um die wachsende Armut, die somit unterstellt und abgehakt ist, wird sich nicht genug gekümmert! So wird das Problem auf die Ebene der Armutsbetreuung verschoben – und dann passt endlich der Vorschlag zum Befund:
Erstens wird durch die geforderte Vermögensabgabe das „Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung“ bedient, weil die Reichen etwas stärker zur Kasse gebeten werden. Da hat der Arme schon mal was für die Seele und kann seine Armut leichter hinnehmen – zumindest dann, wenn es ihm um nichts weiter als die Gerechtigkeit geht. Wenn man es als Minderbemittelter schon so schwer hat, pocht man entschieden auf Gleichbehandlung, obwohl die Reichen ja nun nicht gerade arm sind. Und dann geht es einem schlagartig besser, weil auch den Reichen ihr Reichtum nicht leicht gemacht wird.
Zweitens bekommt zwar nicht der Arme, dafür aber der Staat mehr Geld, mit dem er seinen „sozialen und bildungspolitischen Aufgaben“ ordentlich nachgehen kann. Das ändert nichts an der Armut, bringt aber vielleicht eine höhere Chancengleichheit in sie hinein, so dass auch das Gerechtigkeitsempfinden von Gewerkschaftlern, Sozialarbeitern und Hauptschullehrern mitbedient würde, wenn der Staat etwas mehr für die Armutsbetreuung ausgäbe.
So landet ein Protest, der als gerechte Empörung über die „ungleiche Vermögensverteilung“ und wachsende Armut losgeht, bei lauter konstruktiven Vorschlägen zur besseren Verwaltung der Armen. Oder war von Anfang an nichts anderes gemeint?