Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Friedensnobelpreis für die Weltmacht

Seit über 100 Jahren begleitet der Friedensnobelpreis das immer währende Neben- und Nacheinander von Krieg und Frieden in der Welt. Mit schöner Regelmäßigkeit wird ehemaligen und amtierenden Staatsmännern, den Praktikern auf dem Feld von Kriegserklärungen und Friedensschlüssen, aber auch allerlei Idealisten einer besseren Welt aus Kirche, Kultur und Vereinsleben der Friedensnobelpreis verliehen für ihre Verdienste um das friedliche Miteinander der Menschen.

Diesmal hat es, erst kurz im Amt, den US-Präsidenten Barack Obama getroffen.

Aus der Zeitschrift

Friedensnobelpreis für die Weltmacht

Seit über 100 Jahren begleitet der Friedensnobelpreis das immer währende Neben- und Nacheinander von Krieg und Frieden in der Welt. Mit schöner Regelmäßigkeit wird ehemaligen und amtierenden Staatsmännern, den Praktikern auf dem Feld von Kriegserklärungen und Friedensschlüssen, aber auch allerlei Idealisten einer besseren Welt aus Kirche, Kultur und Vereinsleben der Friedensnobelpreis verliehen für ihre Verdienste um das friedliche Miteinander der Menschen.

Diesmal hat es, erst kurz im Amt, den US-Präsidenten Barack Obama getroffen.

„Obama hat als Präsident ein neues Klima in der internationalen Politik geschaffen. Multilaterale Diplomatie steht wieder im Mittelpunkt, mit besonderem Gewicht auf der Rolle der Vereinten Nationen und anderer internationaler Organisationen. Dialog und Verhandlungen sind hier die bevorzugten Mittel, um auch die schwierigsten internationalen Konflikte zu lösen. Die Vision einer atomwaffenfreien Welt hat auf kraftvolle Weise Verhandlungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle neu belebt.“ (Entscheidung des Nobelkomitees)

Die Preisverleiher halten also Obamas noch junge Präsidentschaft insgesamt für eine Entwicklung für den Frieden, die – das räumen sie ein – mit Blick auf Afghanistan, Irak, Iran, Jemen und die atomare Abrüstung noch nicht abgeschlossen ist. Diese gelungene Einstufung mehrerer laufender Kriege als viel versprechendes Friedenswerk verdankt sich offenkundig einem Vergleich des noch unvollendeten Werks des jetzigen US-Präsidenten mit der Politik seines Vorgängers: Gegenüber dessen diplomatischer und militärischer Grobheit gegenüber Freund und Feind, der unipolaren Politik seiner Regierung und deren Ultimaten mit nachfolgendem shock and awe als bevorzugtem Mittel amerikanischer Durchsetzung will das Komitee das versöhnliche Auftreten Obamas bei der Veranstaltung internationaler Konflikte vor oder neben dem Einsatz von Militär wie ein durch und durch friedfertiges neues Angebot an die Staatengemeinschaft verstehen. Das findet es entschieden preiswürdig. Die Preisverleihung verdankt sich also zu einem guten Teil der Leistung der alten Bush-Krieger. Die Juroren sehen sich zu ihrer tiefen Verbeugung vor der Weltmacht veranlasst, weil die sich wieder des diplomatischen Instrumentariums von Dialog und Verhandlungen bedient und auch den Vereinten Nationen wieder mehr Bedeutung zukommen lässt. Sie haben erlebt, dass die amerikanische Supermacht auch ganz anders kann. Nur deshalb fällt auch ihre Besserung in Fragen des diplomatischen Umgangs mit dem Rest der Welt überhaupt ins Gewicht. Weil er der Chef der US-Regierung ist, lässt sich das Nobelkomitee in seinem weltpolitischen Opportunismus bereitwillig vom zivilen Charme des neuen US-Oberbefehlshabers begeistern und prämiiert seinen anderen Umgangston gleich als neues Klima in der Weltpolitik.

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Der Preisgekrönte dementiert postwendend, dass der Friedenspreis einer für Gewaltlosigkeit sein könnte:

Als jemand, der als unmittelbare Konsequenz des Lebenswerks von Dr. King hier steht, bin ich der lebendige Beweis für die moralische Kraft der Gewaltlosigkeit... . Aber als Staatschef, der kraft seines Amtseides verpflichtet ist, sein Land zu schützen und zu verteidigen, kann ich mich nicht nur von ihrem Beispiel (dem von Gandhi und Martin Luther King) leiten lassen. Ich stehe der Welt gegenüber, wie sie ist, und ich kann angesichts der für die amerikanischen Bürger bestehenden Bedrohungen nicht untätig sein. Denn täuschen Sie sich nicht: Das Böse existiert auf der Welt. Eine gewaltlose Bewegung hätte Hitlers Armeen nicht aufhalten können. Verhandlungen können die Anführer der Al Kaida nicht überzeugen, ihre Waffen niederzulegen.“

Die Rede, mit der er sich für die Verleihung des Preises bedankt, ist eine einzige Rechtfertigung des guten amerikanischen Krieges: Er erinnert daran, dass das Böse nun einmal in der Welt ist, zum Glück aber auch die Kompetenz, es rechtzeitig zu erkennen und unschädlich zu machen. Als amerikanischer Staatschef hat er die Aufgabe, seine Bürger vor bestehenden Bedrohungen zu schützen und damit zugleich die Definitionsmacht, derlei antiamerikanische Umtriebe als das Böse in der Welt zu identifizieren und zu bekämpfen.

Es ist zwar die Aufgabe jedes Staatspräsidenten, die Nation gegen Anfechtungen aller Art zu verteidigen. Um dafür aber mit dem wichtigsten Friedenspreis der weltweiten Staatengemeinschaft bedacht zu werden, braucht es mehr als das: Eine politische Vision, die so wichtig ist, weil der Visionär einer Weltmacht vorsteht, die bereit und in der Lage ist, notfalls auch mit gerechten Kriegen auf kraftvolle Weise die Zuständigkeit für den amerikanischen Weltfrieden wahrzunehmen.