Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Friedensnobelpreis für die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) und ihren Chef:
Lorbeeren für el-Baradei und Vorschusslorbeeren für künftige Weltordnungskriege
El-Baradei und seinen Kontrollmannschaften wird in ihrer kontinuierlichen Anstrengung zur Erhaltung des Friedens durch Kontrolle illegitimer Nuklearmachtsaspiranten demonstrativ der Rücken gestärkt. Illegitim sind die, weil sich die ‚offiziellen‘ Atommächte im Atomwaffensperrvertrag beizeiten exklusiv zu solchen erklärt und dem Rest der Staatenwelt ein Verbot dieser Waffen auferlegt haben.
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Friedensnobelpreis für die
Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) und ihren
Chef:
Lorbeeren für el-Baradei und
Vorschusslorbeeren für künftige Weltordnungskriege
Was Friedensnobelpreisträger betrifft, ist man ja einiges gewöhnt: Neben allerlei praktizierenden Humanisten, die den weltweiten Gewalt- und Profithaushalt nicht weiter stören, und diversen nützlichen Idioten, die aufopferungsvoll als eine Art ideologische Vorhut des Westens früher im kommunistischen Feindesland, heute in Ländern einer ‚bad governance‘ agieren, stellen hauptsächlich Kriegs- und Bürgerkriegskontrahenten, die das Resultat ihrer militärischen Auseinandersetzungen mit einem Friedensschluss besiegeln, das Gros der Geehrten. Die diesjährige Preisvergabe an die Atomenergie-Agentur und ihren Chef lässt nun deutlich einen tieferen, zukunftsweisenden Gesichtspunkt bei der Vergabe des Preises erkennen: El-Baradei und seinen Kontrollmannschaften wird in ihrer kontinuierlichen Anstrengung zur Erhaltung des Friedens durch Kontrolle illegitimer Nuklearmachtsaspiranten demonstrativ der Rücken gestärkt. Illegitim sind die, weil sich die ‚offiziellen‘ Atommächte im Atomwaffensperrvertrag beizeiten exklusiv zu solchen erklärt und dem Rest der Staatenwelt ein Verbot dieser Waffen auferlegt haben. Dieser Vertrag begründet somit – und das ist die imperialistische Geschäftsgrundlage der Atomenergie-Agentur – ein Aufsichts- und Eingriffsrecht der ‚internationalen Staatengemeinschaft‘ gegen Mächte, die sich nicht an dieses Verbot halten wollen. Das friedliche Zusammenleben der Nationen ist somit als Kontrollregime angelegt und schließt die Eskalation bis zum legitimen Krieg gegen sog. ‚Schurkenstaaten‘ ein, die mit ihrem Streben nach ‚weapons of mass destruction‘ eine allenfalls eingeschränkte Bereitschaft zur Einordnung in das globale System von Geschäft und Gewalt erkennen lassen. Es ist nicht zu übersehen, dass die aktuellen Objekte der Kontrollen und der damit verbundenen Kriegsdrohung immer die Staaten sind, die nicht rückhaltlos politisches Wohlverhalten gegenüber der obersten real existierenden Weltordnungsmacht zeigen und die in der Agenda des amerikanischen Antiterrorfeldzugs ganz oben stehen. Eine inoffizielle, mit der amerikanischen Führungsmacht jedoch eng verbündete Atommacht wie Israel bleibt indessen von el-Baradeis Kontrolltrupps unbehelligt.
Gleichwohl steht der oberste Atomdiplomat dafür, das in seiner Behörde institutionalisierte Kontrollwesen nicht einfach als verlängerter Arm des State Department durchzuführen, sondern als überparteilichen, strikt am Buchstaben des Völkerrechts orientierten Verwaltungsakt der UNO. Wenn die ‚internationale Gemeinschaft‘ schon einen Feldzug gegen einen illegalen Bombenbauer auf die Tagesordnung setzen soll, dann nur unter dem Signum einer überparteilichen Exekution des Völkerrechts. Diesen nur sehr bedingt friedfertigen Standpunkt hat der frisch gebackene Friedensnobelpreisträger im Vorfeld des Irakkriegs mit seiner Weigerung, die Existenz von irakischen Massenvernichtungswaffen zu bestätigen und den USA eine völkerrechtlich einwandfreie Legitimation für ihre Intervention zu liefern, aller Welt vor Augen geführt. Seine Disfunktionalität für den bereits feststehenden Kriegswillen der USA hat ihm und seiner Behörde seitens der Bush-Regierung Kritik und von europäischen Staaten mit eigenständigen Weltordnungsstrategien Anerkennung eingebracht. Gegenwärtig widersetzt sich el-Baradei im Zuge seines Kontrollwesens gegen den Iran der amerikanisch/europäischen Lesart des Atomwaffensperrvertrags, welche die bloße Möglichkeit zum Atombombenbau durch einen geschlossenen Nuklearkreislauf schon als vollendete Tat inkriminiert. Die Preisvergabe ist somit auch gegen Washingtons Bestrebungen gerichtet, die Atomenergie-Agentur als Instrument US-amerikanischer Weltordnungspolitik bzw. Legitimationsinstanz ihrer Kriege in Anspruch zu nehmen.
Gleichzeitig aber gibt sie dem amerikanischen
Interventionismus prinzipiell Recht: Der offiziellen
Feststellung des Nobelkomitees, dass die Vergabe des
Preises ein Beitrag für das fromme Bestreben, die
Bedeutung von Atomwaffen in der internationalen Politik
zu verringern, mit dem Fernziel ihrer völligen
Abschaffung
, sein soll, folgt prompt die praxisnahe
Konsequenz: Die Tatsache, dass die Welt in dieser
Hinsicht wenig erreicht hat, macht eine aktive Opposition
gegen Atomwaffen heute umso wichtiger.
Und der
Komiteechef Ole Danbold Mjos legt nach: Wir wollen mit
diesem Preis dem Kampf gegen Atomwaffen wirklich neuen
Auftrieb geben.
Dass eine Atomrüstung zuallererst bei
eh schon terrorverdächtigen Staaten verhindert werden
muss, braucht da nicht extra betont zu werden. Der
diesjährige Friedensnobelpreis bestätigt so auf höchstem
politmoralischen Niveau die spätestens seit nine/eleven
seitens der USA praktisch etablierte Neuinterpretation
des Völkerrechts als ständiges und ständig kriegsbereites
Friedensregime und unterstützt damit den friedliebenden
Schein des heutigen Imperialismus: Souveränität kann es
nur noch als konzessionierte, unter dem Vorbehalt einer
friedlichen Einordnung in die Weltordnung stehende geben.
Andernfalls muss der Friede auch mit kriegerischen
Mitteln erhalten werden. Von daher führt an der
amerikanische Supermacht als zwar nicht-idealer, aber
immerhin mächtiger Vollstreckerin dessen, was
man heute unter Friede zu verstehen hat, letztinstanzlich
kein Weg vorbei. Gerade weil dies so ist, kommt es dem
Nobelpreiskomitee so wichtig vor, el-Baradei mitsamt der
UNO als unabhängige und zumindest moralisch
maßgebliche Entscheidungsinstanz zwischen Krieg und
Frieden in Szene zu setzen.