Deutsche Drangsale und Schwierigkeiten bei der „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“
Der Drang zu „weltpolitischer Verantwortung“

Auf Basis der gewachsenen Grundlagen ihrer Macht – Wiedervereinigung – will sich die BRD auch militärisch von den Schranken, die ihr als Weltkriegsverlierer auferlegt sind, befreien. Dies erfordert den Umbau der Bundeswehr zu einer Kriseninterventionstruppe ebenso, wie eine Änderung ihres politischen Status, diskutiert als notwendige Änderung der Verfassung, und als grundlegende Reform der UNO, die mindestens für einen Sitz im Sicherheitsrat gut sein müsste.

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Deutsche Drangsale und Schwierigkeiten bei der „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“
Der Drang zu „weltpolitischer Verantwortung“

stellte sich im Fall Deutschlands ziemlich einfach ein. Diese Nation war ja schon zu Zeiten des „Kalten Krieges“ eine recht ansehnliche Macht, wirtschaftlich, politisch und militärisch von einigem Gewicht und weltpolitischer Geltung. Und sofort nach der Annexion Ostdeutschlands und dem beginnenden Ende des großen Hauptfeindes war man sich in Reihen der deutschen Staatsmänner darüber einig, daß dieses „Gewicht“ der deutschen Nation nunmehr gewachsen sei und es sich doch wohl von selbst verstehe, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Was zunächst dieses gewachsene „Gewicht“ Deutschlands betrifft, so fällt die recht abstrakte Maßeinheit auf, in der hier die annektierten Ostgebiete bilanziert werden. Da war noch gar nichts tatsächlich Zählbares, für die Nation Brauchbares an Mitteln geschaffen worden, und schon hatten deren Macher so ihre Sicherheit, daß die Vergrößerung der Grundlagen ihrer Macht um einiges an Land und Leuten identisch ist mit einem Zuwachs an wirklichen Machtmitteln, über die sie nunmehr gebieten – und das haben sie dann außenpolitisch in eine „Verantwortung“ übersetzt, welche sie gleich in weltweitem Maßstab zu tragen hätten. Offensichtlich haben sie sich die Grundlagen ihrer Macht also bloß daraufhin besehen, welche außenpolitischen Rechte sie aus ihnen nunmehr ableiten können, und sind entsprechend forsch zu Werke gegangen: Der glänzende Erfolg ihrer friedlichen Eroberung eines ganzen Staates war für sie so gut wie ein Rechtstitel, von anderen Staaten ein Mehr an Respekt gegenüber den Interessen einzufordern, die von deutschem Boden ausgehen, jetzt schon und in Zukunft vermehrt.

Allerdings: So haben die Vertreter des guten deutschen Rechts auf imperialistische Einmischung sich dann auch wieder nicht zu Wort gemeldet, sondern eben von der „Verantwortung“ geredet, die ihnen bloß auferlegt sei. Das von ihnen geltend gemachte deutsche Recht auf Durchsetzung außenpolitischer Interessen wollten sie als Dienst am Kunden „Weltpolitik“ verstanden wissen, als lediglich ihren bescheidenen Beitrag zu so vornehm uneigennützigen Aufgaben wie der Herstellung einer „neuen Weltordnung“, der „Sicherung des Friedens“ und so. Nur ist das eben auch nicht gerade die Wahrheit, sondern macht vielmehr deutlich, gegen wen und in welchem Maßstab man demnächst deutschen Rechten erfolgreich Gehör zu verschaffen gedenkt. „Weltpolitik“ ist nämlich die exklusive Domäne jener Handvoll etablierter imperialistischer Mächte, die sich erfolgreich auf die ökonomische Benutzung und politische Kontrolle des Restes der Staatenwelt verstehen, und den erklärten Willen, hierbei und zum exklusiven Nutzen der deutschen Nation mitzumischen, drückte der deutsche Kanzler eben in seiner einnehmenden Art aus: „Verantwortung“ seiner Nation für diese Domäne reklamierte er, weil er genau weiß, wem er damit auf die Füße tritt, zugleich aber auch nicht will, daß man ihm und seiner Nation dies gleich als Kampfansage auslegt.

Nun ist sicherlich diese politische Absichtserklärung für sich allein auch schon einiges und von den lieben „Partnern“ der imperialistischen Konkurrenz in ihrem gemeinten Sinn auch ganz gut verstanden worden. Aber eine angemaßte weltpolitische Rolle und Geltung der deutschen Nation und ein hergesagter Rechtstitel auf internationales Gehör ist eben auch nur das und nicht das wirkliche „Tragen“ jener „Verantwortung“, auf die das imperialistische Erfolgsprojekt der Deutschen so scharf ist: Solches muß man nicht nur wollen, sondern vor allem auch können, und die Beschaffung der hierfür nötigen Mittel ist für den Newcomer der imperialistischen Weltaufsicht offenbar gar nicht so einfach.

Das geltend gemachte deutsche Recht auf internationale Einflußnahme hat es nämlich an sich, daß es auf die Rechte anderer Nationen stößt – auf die, in welche es sich einzumischen gedenkt, und auf die Rechte der Nationen, denen es gleichfalls um „weltpolitischen Einfluß“ geht, worunter sie allerdings den exklusiv ihnen reservierten Machtbereich verstehen. Und daß im Verkehr zwischen Staaten die Reichweite dieser Rechte allemal durch die Mittel begrenzt ist, über die man verfügen kann, sie nötigenfalls mit Gewalt durchzusetzen, ist unter den Sachverständigen für Weltpolitik wahrlich kein Geheimnis: Der deutsche Außenminister war noch überhaupt nicht lang in seinem Amt, da wußte er schon, daß „die Kernfrage der deutschen Außenpolitik“ (Kinkel) eine Frage der deutschen Militärmacht und der

Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr

ist. Solche Typen wissen offenbar, daß die von ihnen betriebene imperialistische Einmischung unter dem Titel „Verantwortung für Weltpolitik“ Gegensätze und Feindschaften begründet, die man aushalten und siegreich durchfechten können muß. Ihnen ist die gewaltsame Natur der staatlichen Interessen durchaus geläufig, denen sie außenpolitischen Durchbruch verschaffen wollen, und daß Staaten in letzter Instanz ohnehin nur „die Sprache der Gewalt“ verstehen, wissen sie von sich selbst am besten: Von etwas anderem als von den Waffen, die ihren Rechten entgegenstehen, lassen sie sich gar nicht erst beeindrucken. Deswegen ist es ihnen ganz selbstverständlich, daß die deutsche Nation, um wieder ganz „normal“, das heißt so zu werden, wie es die Mächte von imperialistischem Rang schon seit dem letzten Krieg sind, zuallererst ihre militärische Handlungsfreiheit wiedererlangen muß. Nach ihrer 40jährigen militärischen Erniedrigung zum „Frontstaat“ und zur bloßen Teilstreitmacht im Kriegsbündnis der Nato will sich die deutsche Nation nunmehr den Respekt vor ihren Rechten gegebenenfalls auch selbst praktisch erzwingen können. Es muß ihr einfach die Fortsetzung ihrer Politik mit Krieg dann möglich sein, wenn ihr Interesse dies gebietet – andernfalls fehlt der deutschen Außenpolitik gewissermaßen ihr Wesentliches:

„Ich bin der Meinung, daß wir als wiedervereinigtes und souveränes Land unsere Rechte, aber eben auch unsere Pflichten der Völkergemeinschaft gegenüber wahrnehmen können müssen. (…) Ich behaupte nicht, daß deutsche Schiffe, deutsche Soldaten und deutsche Blauhelme die Dinge besser regeln können. Es kann doch nicht richtig sein, daß die wirtschaftlich bedeutendste Kraft und auch das bevölkerungsmäßig größte Land in Europa eine in vielem eingeschränkte Außenpolitik machen muß“. (Kinkel, in: Der Spiegel, 40/92)

Eine richtige deutsche Außenpolitik braucht also das Militär als ihr Mittel und sieht in der Freiheit zu seiner Handhabung das vornehmste Recht der Nation – soweit des Außenministers Klage über die Kastration, unter der die deutsche Politik unter seiner Führung international zu leiden habe.

Wie er sie allerdings vorbringt, verrät, daß es so problemlos für Deutschland nicht ist, sich die Freiheit zum Kriegführen, die man so ganz grundsätzlich und abstrakt benötigt, einfach herauszunehmen. Daß die deutsche Nation demnächst auch als Militärmacht die Konkurrenz um weltpolitischen Einfluß zu bestreiten gedenkt, definiert ja schon auch ein wenig das Verhältnis neu, in dem man bisher zu seinen imperialistischen Konkurrenten und zum Rest der Staatenwelt stand – die haben eben damit zu rechnen, daß die speziellen deutschen Rechte sich in diesem oder jenem Bedarfsfall demnächst auch per Krieg Geltung verschaffen können, und das verwechseln sie überhaupt nicht mit einem Antrag auf gute Nachbarschaft. Dazu haben sie umso weniger Veranlassung, als sie schon jetzt von dieser Nation hinlänglich damit bekannt gemacht werden, was es heißt, wenn deutsche Außenpolitik nunmehr „selbstbewußt“ und „souverän“ gemacht wird: Die Einmischungen in die Weltpolitik und ins Kräfteverhältnis der imperialistischen Nationen, die da von Bonn aus angestrengt werden, haben schon jetzt dazu geführt, daß keine der etablierten Mächte diese neue Großmacht so recht mehr zu berechnen vermag und daß vom deutschen Imperialismus nach seinem glänzenden Auftakt in Jugoslawien täglich ein neuer weltpolitischer Einfall erwartet werden darf.

Deswegen legt der deutsche Außenminister ungemein Wert darauf, daß die

Emanzipation der deutschen Militärmacht

von den durch sie Betroffenen auch nicht mißverstanden wird. Keinesfalls als beabsichtigte Aufmischung des imperialistischen Kräfteverhältnisses – obwohl es das natürlich ist – möchte er es verstanden wissen, wenn sich Deutschland als ganz „normale“ imperialistische Nation demnächst wieder ins Weltgeschehen einmischt. Gar keine Neuauflage eines deutschen „Griffs nach der Weltmacht“ soll es sein – obwohl er so gerade geht –, wenn das deutsche Militär sich demnächst praktisch der Herstellung jener „Ordnung“ annimmt, für die sich die deutsche Politik schon jetzt gleich im Namen der ganzen „Völkergemeinschaft“ verpflichtet wissen will. Und überhaupt möchte man ja nur jenen „Platz an der Sonne“, der einer so großen und guten Nation wie der deutschen doch wohl zusteht; und freilich nur „gleichberechtigt“ mit allen anderen lieben Partnern am „zentralen Lenkungsorgan der Staatengemeinschaft“ (Kinkel über den Sicherheitsrat) teilhaben…

Verlogenheit ist die eine Seite dieser Tour, sich ausgerechnet dort, wo der deutsche Staat sich im Militär das Mittel seiner gewaltsamen Durchsetzung nach außen wiederverschafft, furchtbar bescheiden zu geben und vom Anschein partout nicht lassen zu wollen, dies sei doch nur recht und billig und im übrigen auch gegen niemanden speziell gerichtet. Die andere Seite dieser politischen Heuchelei ist, daß in ihr immer auch die Schranken deutlich werden, die dem imperialistischen Vorwärtsprogramm dieser Nation in militärischer Hinsicht noch entgegenstehen, und zwar daheim wie auswärts.

Was die innenpolitische Abwicklung der militärischen Emanzipation Deutschlands ihrer sachlichen Grundlage nach betrifft, so wird über die militärische Lage der Nation und über deren zukünftige Perspektive in einer Weise befunden, die weder den Zweck, um den es geht, noch die Hindernisse, die ihm entgegenstehen, als solche erkennen lassen, sondern die Sache genau auf den Kopf stellen: Ausgerechnet dort, wo es der Nation um die Beschaffung der militärischen Mittel ihrer beanspruchten Handlungsfreiheit und sonst nichts geht, zirkuliert seit jüngstem

die Mär vom „Rüstungsstopp“

der deutschen Bundeswehr. Da macht erst ein Techtelmechtel zwischen Politik und Rüstungslobby die Runde, und das Aufklärungssystem LAPAS kommt entsprechend – das heißt als „Amigo-Affäre“ und „Skandal“, weil teuer und mit fraglichem praktischen Nährwert – ins Gerede. Der Minister nimmt sich der Sache an und einiger anderer neuer Projekte für die deutsche Wehrmacht auch – und storniert unter Berufung auf Sparzwänge des Finanzministers das ganze Beschaffungsprogramm. Bemerkt hat er nämlich an dem auch so eine Art deutscher „Erblast“ aus den verflossenen Zeiten des „Kalten Krieges“, denn so mancher Aufrüstungsschritt für die deutschen Streitkräfte, der damals in Auftrag gegeben wurde und dessen erste Resultate heute eintrudeln, hatte seinen guten Grund eben nur darin, daß die Bundeswehr in der Rolle und Funktion gestärkt wurde, die sie als Teilstreitmacht des Nato-Bündnisses innehatte. Heute dagegen, wo es sich von dieser Funktion gerade zu emanzipieren und für die deutschen Aufgaben „out of area“ zu rüsten gilt, nehmen sich diese Aufträge aus wie gigantische Fehlinvestitionen, und genau deswegen werden sie gekappt. Den Grund allerdings teilt der Minister nicht mit. Wo er gerade die Verlegenheit, daß seine Bundeswehr so, wie sie konzipiert ist, zu den Aufgaben nicht recht paßt, für die sie gebraucht wird – „zu groß und zu unbeweglich“ (Süddeutsche Zeitung, 4.2.93) –, positiv zu bewältigen sucht und die Aufrüstung der deutschen Militärmacht entsprechend neu plant, gibt er sich ganz als Diener des großen Programms der nationalen Bescheidenheit, welches „der Staat spart“ heißt, aber das glatte Gegenteil von Bescheidung der Nation und ihrer Ansprüche ist. Ein „Ausgabenstopp“ wird verfügt, in dessen Kleingedrucktem dann nämlich schon steht, daß auf so manche Anschaffungen für die Hauptstreitkräfte verzichtet wird, damit die erforderlichen für die „Krisenreaktionskräfte“ auch bereitstehen – die braucht es also offenbar unbedingt, und für sie sind die knappen staatlichen Mittel zu reservieren. Da wird nicht Geld gespart, sondern die Konzentration der nationalen Rüstungsanstrengungen aufs Wesentliche findet statt, nämlich auf all das, was für die weltpolitischen Ansprüche Deutschlands wirklich Sinn macht und ihnen nützt: Keine finanzielle, sondern eine noch bestehende militärische Verlegenheit der deutschen Nation wird da positiv bewältigt, und dafür, daß die Rüstungsplanung erfolgreich an die neuen „Szenarien“ angepaßt wird, für die die Politik das Militär braucht, kann dann an allem Überflüssigen durchaus „gespart“ werden. Womöglich demnächst auch an der allgemeinen Wehrpflicht im bisherigen Umfang – zugunsten eines weit schlagkräftigeren Berufsheeres nämlich, mit dem die für die deutschen Interessen notwendigen „Eingriffe“ offenbar erfolgversprechender abzuwickeln gehen als mit den bisherigen, obendrein noch hauptsächlich der Nato eingegliederten Kräften. Deren politische Vertreter haben den nationalen Witz dieses deutschen „Sparprogramms“ übrigens besser verstanden als die deutsche Öffentlichkeit: Sogar Generalsekretär Wörner gab sich vor laufender Kamera sehr befremdet bis düpiert über den „Alleingang“ der Deutschen und die mangelnde Absprache mit den „Partnern der Allianz“, als der eigens zur Wehrkundetagung angereiste Kanzler die angeleierte Revision der deutschen Militärplanung in dem Gestus vortrug, sie sei ihm ganz von seinen Kassenbeständen aufgezwungen.

Freilich hat auch in dieser Runde und bei dieser Gelegenheit der Kanzler die seltsame freiwillige Selbstkontrolle beibehalten, die sich der deutsche Imperialismus aufzuerlegen pflegt, wenn er bei seinem weltweiten Engagement nur immer von „Pflichten“ redet, denen er gehorchen würde: Auch die demnächst wohl neu organisierte deutsche Wehrmacht habe keineswegs vor, sich aus der „internationalen Verantwortung“ zu stehlen, in die sie eingebunden ist. Und auch damit hat der Kanzler auf seine Weise einer Beschränkung entsprochen, der seine Politik im Interesse des deutschen Imperialismus wirklich unterliegt. Dieser hat ja nicht vor, die vorhandene Geschäftsgrundlage des Konkurrierens um weltweiten Einfluß aufzukündigen; er baut sich ja als Militärmacht nicht gegen, sondern nur neben den etablierten Mächten auf, die die Welt politisch kontrollieren, und er ordnet sich ganz den behördlich institutionalisierten Formen unter, in denen diese Konkurrenz nach Beendigung des Ost-West-Gegensatzes verläuft. Daher kommt es, daß der endlich fällige deutsche Schritt zur Selbstbefreiung und zur staatlichen „Normalität“, im Bedarfsfall die „weltpolitische Verantwortung“, die man tragen will, auch kriegerisch durchzufechten, so frei nicht ausfällt und die deutschen Kriegsherren in spe gegenwärtig zuallererst bei der UNO um das Mandat fürs Kriegsführen nachzusuchen haben: Das ist gegenwärtig die institutionelle Behörde jener Fiktion namens „Völkergemeinschaft“, die für den Verkehr zwischen Staaten Regeln des Erlaubten und Verbotenen aufstellt, der die Betreuung der diversen „Ordnungsfälle“ auf dem Globus obliegt und die nach dem Willen ihrer maßgeblichen Mitgliedsmacht auch als einzige dazu befugt ist, den Krieg als Mittel der Politik zu lizensieren. Auf diese objektive Lage der imperialistischen Konkurrenz und des „Weltfriedens“ nach dem Abgang der Sowjetunion treffen die deutschen Drangsale in Sachen militärischer Handlungsfreiheit – und das macht einige Verrenkungen nötig.

Diese betreffen den schon erwähnten Umstand, daß das von Deutschland angemeldete imperialistische Recht natürlich alles andere als nur das ist, wenn seine Durchsetzung an einen Beitrag geknüpft ist, den man der Monopolbehörde für Weltaufsicht und -kontrolle abstattet. Dann handelt es sich beim deutschen Imperialismus nämlich genaugenommen um einen Dienst, den man der in der UNO versammelten Gesamtmenschheit und ihrer „Ordnung“ zuliebe leistet und zu dem man selbst überhaupt nicht drängt, sondern zu dem man gebeten wird, weil man als so gute Nation für das Gute auf Erden einfach zuständig ist.

So fanden sich ungefähr zum selben Zeitpunkt, an dem feststand, daß es in Sachen „Weltordnung“ für die Interessen der deutschen Nation viel zu tun gibt und dafür die Nation sich auch ordentlich militärisch wappnen muß, jede Menge Bittsteller beim Außenminister ein, die förmlich um die kriegerische Einmischung nachsuchten, für die sich der die prinzipielle Freiheit ohnehin reservieren will. Wie man von Kinkel hören darf, wird er noch immer auf so ziemlich jeder Konferenz mit seinen Kollegen von denen mit dem Antrag beglückt, daß Deutschland „doch nicht mehr abseits stehen kann“, wenn irgendwo eine Weltordnungsfrage zur Regelung ansteht, und das hört er freilich gerne. Das diesen Antrag der lieben Partner leitende Bedürfnis, die Deutschen möchten sich auf diesem Wege von ihnen „einbinden“ und so berechenbar machen lassen, pflegt er nämlich zielstrebig zu überhören, dafür aber den Antrag an Deutschland herauszuhören, alle anderen möglichst für die deutschen Interessen einzuspannen, – und genau diesen Auftrag macht er dann zur Ehrenfrage der deutschen Außenpolitik: Zusammen mit seinen Kollegen müsse man sich glatt Sorge um „Deutschlands Ansehen in der Welt“ machen, wenn sich diese Nation weiterhin auf keinem der Kriegsschauplätze blicken läßt, die von der UNO betreut werden, so daß der gute Mann bei soviel „Druck von unseren Partnern“ natürlich gar nicht anders kann, als demnächst dort anzutreten:

„Weil unser Ansehen in der Welt so wichtig ist, müssen wir schnell dafür sorgen, daß die Bundeswehr sich an Blauhelm-Einsätzen und anderen, friedensschaffenden UN-Missionen, also mit Kampfeinsatz beteiligen kann. Wir müssen der Welt beweisen, daß wir unsere Verpflichtungen kennen und wahrnehmen.“ (Kinkel, in: BamS, 6.12.92)

Als einigermaßen gesichert kann daher gelten, daß die Kampfeinsätze deutscher Außenpolitiker in der UNO und deutscher Soldaten vor Ort nie und nimmer den politischen Berechnungen der Nation gehorchen, sondern pure Selbstlosigkeit sind. Ja, die deutsche Außenpolitik verfolgt genaugenommen gar keine nationalen Interessen mehr, sondern dient ausschließlich dem höheren moralischen Zweck, für das Gute im Zusammenleben der „Völkergemeinschaft“ zu sorgen.

Ein Plätzchen im Sicherheitsrat der UNO versteht sich daher auch ganz von selbst und ist überhaupt nichts, wofür ein Kinkel sich in deutschem Interesse eigens stark machen wollte. Denn was die imperialistischen Konkurrenten Deutschlands sich wünschen, ist eher dessen Einbindung als seine Freisetzung, und das weiß ein Kinkel:

„Der Sicherheitsrat spiegelt in seiner Zusammensetzung das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs wider, nicht die heutige Weltsituation. Wenn sich denn eine Erweiterung dieser Diskussion ergibt, dann werden auch wir uns um einen Sitz bewerben. Wir werden keine Kampagne von uns aus betreiben.“ (Kinkel, in: Der Spiegel, 40/92)

„Kampagnen“ haben „wir“ doch nicht nötig. Andere vielleicht, wie Japan zum Beispiel, Brasilien und Nigeria, die – wie Kinkel genau weiß – „für sich einen ständigen Sitz“ betreiben. „Wir“ wollen doch bloß „der Bedeutung der Bundesrepublik entsprechend unsere Rechte in der UNO und im Sicherheitsrat wahrnehmen können“ (ebd.) – und so läuft sie dann, die deutsche Kampagne für die höchstförmliche deutsche Teilhabe am obersten Gremium der imperialistischen Konkurrenz.

Was für die deutsche Außenpolitik generell gilt, muß für die demnächst zu erwartenden

Kampfeinsätze der Bundeswehr

natürlich erst recht gelten. Wie man so hört, ist das Kriegführen überhaupt kein Mittel der Politik mehr, sondern inzwischen zu einer rein „humanitären Maßnahme“ ausgeartet. Aus Panzern geschossen wird nur, um einer „notleidenden Bevölkerung“ ungestört eine Runde Hirse ausgeben zu können, oder im Zuge von „Maßnahmen zur Selbstverteidigung“, wenn die „Hilfsleistungen“, für die die Uniformierten eigens angereist sind, vor Ort nicht ausschließlich auf Gegenliebe treffen. Letzteres ist schon deswegen nie so recht der Fall, weil man sich ja immerhin mit seinen Invasionen im Geiste der Mildtätigkeit und den genauso karitativen Luftangriffen in ein laufendes Getümmel einmischt, sich zur Kriegspartei erklärt und entweder für eine der sich bekriegenden Seiten oder gegen alle Partei nimmt, um die kriegerische Auseinandersetzung zu entscheiden. „Frieden“ ist daher ganz zurecht der oberste Titel der Humanität, dem ein deutscher Kriegseinstieg sich verpflichtet gibt. Er verbürgt, daß wenn, dann nur gute und gerechtfertigte Kriege von deutschem Boden ausgehen, so daß sich auch die jeweiligen Formen des für das deutsche politische Interesse im Einzelfall für opportun erachteten militärischen Engagements als jeweils in Frage kommender Modus ausdrücken lassen, in dem diesem hohen Gut „Friedengedient wird. Wenn „wir“ im Verein mit anderen vorher, nachher oder gleich in einen laufenden Krieg einsteigen, um ihn mit überlegenen Mitteln zur Entscheidung zu bringen, so „fördern“, „erhalten“ oder „schaffen“ „wir“ nur immer den „Frieden“, der uns über alles geht.

Freilich: Krieg ist schon Krieg, und daß die Nation die Freiheit braucht, ihn in ihrem Interesse zu führen, ist der einhellige Konsens aller maßgeblichen Politiker. Daher darf die kunstvolle Widmung des deutschen Kriegführens schon auch mal einer realistischen Betrachtung weichen, die der Sache näher kommt:

„Jeder halbwegs Sachkundige gibt längst zu (…), daß die Unterscheidung zwischen Blauhelm- und anderen Helm-Einsätzen wirklichkeitsfremd ist. (…) Deswegen ist es obsolet, zwischen friedenserhaltenden, friedenssichernden und friedensherstellenden Maßnahmen zu unterscheiden.“ (Schäuble, in: Der Spiegel, 4/93)

Gestritten wird in Deutschland allerdings darüber, wie die Nation sich ihr Recht auf Krieg, das sie sich nimmt, als ihr Recht, an das sie sich zu halten verpflichtet, auszudrücken habe. Und auch hier zeigt sich, daß zwar der politische Wille schon so frei ist, sich per Verfassung die nötigen Handlungsfreiheiten fürs Kriegführen zu genehmigen, wenn deutsche Interessen dies gebieten, aber dies in einen Grundgesetzartikel einfach so hineinzuschreiben auch wieder nicht geht. Denn der Krieg als Mittel der nationalen Politik ist gegenwärtig eben noch genehmigungspflichtig, das Recht, nach den eigenen nationalen Interessen gewaltsam am Ordnen der Welt mitzuwirken, geht erfolgversprechend nur wahrzunehmen über die Teilträgerschaft eines Mandats der zuständigen UNO-Behörde beziehungsweise der imperialistischen Mächte, die diese Behörde hierzu mandatieren: Daran ist die deutsche Freiheit zum Krieg relativiert und daran relativiert sie sich auch selbst.

Die besondere Form nun, in der die deutsche Politik ihrer zukünftigen militärischen Handlungsfreiheit den Weg frei zu machen sucht, ist die von allen in dieser nationalen Grundfrage Kompetenten geführte Debatte um die

Änderung der Verfassung.

Die einschlägigen Artikel des Grundgesetzes, die den Einsatz des deutschen Militärs dem Grundsatz nach reglementieren, rühren nämlich noch aus einer Zeit, in der der Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches noch weit elementarer mit den Problemen der Wiedererlangung seiner Souveränität befaßt war: Sie beschneiden die politische Freiheit zum Einsatz des deutschen Militärs ganz auf die untergeordnete Mitwirkung bei der Erledigung des einzigen für Deutschland geltenden Kriegszwecks, der Erledigung des kommunistischen Machtblocks im Verein der Nato-Partner und unter dem Kommando der Führungsmacht USA. Das und nur das war den Deutschen von der westlichen Wertegemeinschaft gestattet worden, und auf das beschränken sich auch alle den Einsatz des Militärs betreffenden Freiheiten der Politik, wie sie in der Verfassung kodifiziert sind.

Hinsichtlich dieses beschränkenden rechtlichen Überbaus stellt sich nunmehr der entsprechende Änderungsbedarf ein. Die Verfassung war in dieser Frage ja schon immer eine Beschränkung der deutschen Souveränität zum Kriegführen, mit der die Nation leben mußte. Sie konnte dies auch ganz gut, zumindest solange noch, wie sie im Ausbau ihrer Rolle als tragende Nato-Macht angesichts der damaligen Frontlage eine gar nicht so schlechte Perspektive ihres imperialistischen Geltungsdrangs besaß. Und jüngst im Golfkrieg hat die positive Berufung auf diese Schranke ja auch noch den außenpolitischen Ertrag abgeworfen, der politischen Weigerung, sich als bloßer Befehlsempfänger im westlichen Kriegslager einzufinden, mit dem Verweis auf die eigene verfassungsmäßige Behinderung diplomatische Form zu verleihen. Doch nunmehr wird die überlebte rechtliche Fesselung des politischen Willens der Nation wirklich als solche und als unerträgliche zumal empfunden: Die politische „Klarstellung der Verfassungslage“ steht an, damit sich die deutsche Regierung demnächst unangefochten aller ihr zu Gebote stehenden Instrumente bedienen kann. Wann nämlich, wo und wie das Militär für deutsches Recht und den „Frieden in Europa“, der Deutschland paßt, einzusetzen ist -

„Was im ehemaligen Jugoslawien passiert, kann schnell schlechte Schule machen. Das ist nur zu vermeiden, wenn jeder potentielle Aggressor wie in Zeiten des Ost-West-Konflikts davon überzeugt bleibt, er werde beim Einsatz militärischer Mittel auf überlegenen Widerstand stoßen. (…) Dazu braucht man hinreichende europäische, atlantische Entschlossenheit, Krieg als Instrument zur Lösung oder zur Durchsetzung politischer Ziele nicht mehr zu dulden. Nur wenn das gelingt, ist der Frieden für die Deutschen sicher. Das können wir eben nicht mehr nur anderen allein überlassen.“ (Schäuble, in: Der Spiegel, 4/93) – :

Das hat die Politik eben frei zu entscheiden. Das ist es auch, was es unbedingt klarzustellen gilt angesichts einer „im Grundgesetz verankerten Rechtslage“, in der zur Zeit noch ein politischer Wille zum Krieg Gefahr läuft, aus den vollkommen sachfremden Gründen einer eben so eingerichteten „Gewaltenteilung“ per Verfassungsgerichtsurteil verboten zu werden.

Die Änderung dieser Lage ist also vom Prinzip her fällig, im übrigen auch wegen der „humanitären Verpflichtungen“ einigermaßen dringlich, die sich vor allem auf dem Balkan türmen, und gesucht wird von den dafür Zuständigen danach, was man sich alles an politischen Freiheiten, die man sich selbst erlaubt, in die Verfassung hineinschreiben muß, damit der deutsche Imperialismus als Rechtsstaat in Ordnung geht. Doch kaum steht der nationale Konsens in dieser Frage, beginnt ein Parteienstreit, in dem die Lage des deutschen Imperialismus und die Lage der deutschen Verfassung ziemlich verquer, aber doch sehr sinnreich miteinander kombiniert werden.

Da meldet sich der Anspruch der Nation auf politische Freiheit in Militärdingen, die keinerlei Einschränkungen mehr duldet, rückblickend als Kritik an der eigenen militärischen Zurückhaltung zu Wort, wie man sie beispielsweise noch im Golfkrieg geübt habe und wie sie in Zukunft angesichts der deutschen Interessen keinesfalls mehr geübt werden dürfe, und in den Reihen der CDU/CSU ergibt eine aktualisierte Interpretation des Grundgesetzes, daß von dessen „Schranken“ gar keine Rede sein kann:

„Die Bundeswehr darf an friedenserhaltenden Maßnahmen teilnehmen, ohne daß das Grundgesetz geändert werden muß.“ (R. Scholz, 28. 10. 92)

Dagegen richten sich die nach Lage der Dinge gar nicht so unabweisbaren nationalistischen Bedenken, man könne bei so uneingeschränkt erklärter Bereitschaft zum Krieg von den lieben „Partnern“ bei der Weltaufsicht doch recht bequem bei der „Verantwortung“ gepackt und im Namen derselben von denen auf einen Kriegseinstieg verpflichtet werden, den man womöglich gar nicht will, weil man ihn nicht maßgeblich mitbeschlossen hat. So besehen steht dann der Golfkrieg und die Rolle der Deutschen bei ihm umgekehrt für ein – insbesondere von der SPD gern ins Spiel gebrachtes – Beispiel, wie man es auf gar keinen Fall machen darf. Bedenken dieser Art leuchten allen Beteiligten irgendwie sehr ein, und auf ihrer Grundlage ringen sie dann zusammen weiter um die passende Formulierung einer deutschen Selbstbeschränkung, die aber gerade nicht stattfinden soll, weswegen Kontroversen nicht ausbleiben, aber jeder eingebrachte Vorschlag das Karussell nur immer eine Runde weiterdreht: Wer im Verdacht steht, eine solche Beschränkung des deutschen Kriegsrechts nicht recht formulieren zu wollen und es allzu frei reklamiert, muß sich von denen, die der Sache nach dasselbe wollen wie er, vorhalten lassen, dann womöglich in Kriege „hineingezogen“ zu werden, die gar nicht in deutschem Interesse liegen. Dieser Standpunkt trägt dann umgekehrt sein Ideal, wie Deutschland endlich souveräner Kriegsherr werden könne, ausgerechnet in Gestalt von weisen Selbstbeschränkungen vor, die sich die Nation für die Erlangung ihrer wirklichen Handlungsfreiheit unbedingt auferlegen müsse, was der ersten Fraktion wieder Gelegenheit gibt, vordringlich die Freiheit des politischen Handelns ins Spiel zu bringen, um die es doch geht.

So plädiert man im Geiste vaterländischer Verantwortung in Kreisen der SPD für eine

grundlegende Reform der UNO

und redet einem „Gewaltmonopol“ dieser Behörde das Wort, dem sich dann auch die wirklichen Inhaber dieses Monopols zu beugen hätten: Auch die USA, Rußland, China und außerdem noch Frankreich und Großbritannien nebenbei möchte man in den Fragen, wie die Welt zu „ordnen“ und gemäß dem eigenen Bedürfnis nach respektierter Einflußnahme aufzuteilen sei, in ihrer Entscheidungsfreiheit beschneiden können und zum Vorteil der deutschen Interessen „einbinden“, wie dies diplomatisch heißt. Dann hätte man so etwas wie eine Garantie vorab, daß man als „UNO-Mitglied mit allen Rechten, aber auch Pflichten“ (Kohl, Kinkel, Klose) in nichts hineingezogen wird, das nicht im eigenen Interesse liegt.

Denselben Gedanken wälzt dann der Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei auf seine Art weiter. Auch dem ist natürlich sonnenklar, daß die UNO kein überparteiliches Gremium selbstloser Regenten „der Welt“, sondern diplomatisches Forum der Konkurrenz nationaler Sonderinteressen ist. Er zieht aber daraus den umgekehrten Schluß wie die SPD und meint, daß genau deswegen sich die deutsche Kriegserlaubnis nicht an so ein windiges Gremium binden dürfe, da man auf diese Weise nur jede eigene Freiheit aufgibt. Offenbar kann sich zumindest der Fraktionschef der Regierungsparteien sehr gut vorstellen, daß die Entscheidung zwischen Krieg & Frieden nur ausnahmsweise und vorübergehend per UNO-Beschluß vonstatten geht:

„Wir wissen nicht, wie sich die UNO entwickelt … Fünf ständige Mitglieder müssen bei einer Entscheidung mitziehen. Das ist in den letzten Jahren einigermaßen gutgegangen. Das kann sich schneller ändern, als es sich irgend jemand vorstellt. Davon können wir uns nicht abhängig machen.“ (Schäuble, in: Der Spiegel, 4/93)

Deutschen Interessen ist eben überhaupt nicht gedient, wenn sie sich auf den Rahmen gleich wieder selbst festlegen, in dem sie sich gerade – gezwungenermaßen zwar, aber eben doch: – von bisherigen Beschränkungen freimachen wollen. Im Klartext:

„Natürlich ist es selbstverständlich, daß ein souverän gewordener Staat alle Selbstfesselungen abwirft, um die gleiche Handlungsfreiheit wie andere zu gewinnen. Politisch pervers wäre es dagegen, sich zu entfesseln, um anschließend eine Zwangsjacke überzuziehen.“ (General a.D. Schmückle, in: Der Spiegel, 6/93)

In genau dieser Richtung zeigt mittlerweile auch der Fraktionsvorsitzende der SPD „Bewegung“, dem als Vorbild einer erfolgversprechenden UNO-Teilnahme Deutschlands Norwegen einfällt. Nicht, weil ausgerechnet diese Nation in etwa sein politisches Ideal von Deutschlands Zukunft wäre, sondern weil ihm so ungefähr der berechnende Umgang mit den Pflichten der UNO zum Vorteil der deutschen Rechte inner- und außerhalb dieses Vereins zur Zeit am besten gewahrt erscheint:

„Die Norweger beteiligen sich an friedenserhaltenden Operationen. Wenn dabei militärische Gewalt angewendet wird, sagen sie: Wir sind bereit, auch das mitzumachen. Aber wir beteiligen uns nicht an UNO-Aktionen, deren Ziel es ist, Gewalt anzuwenden. Wir könnten so 90 Prozent aller Anforderungen der UNO erfüllen. Wir hätten Zeit, zu sehen, wie sich Europa, wie sich die UNO entwickelt. Wir sind doch frei, nach fünf oder zehn Jahren – ich will mich da nicht festlegen – zu entscheiden, ob wir dem ersten Schritt einen weiteren folgen lassen.“ (Klose, in: Süddeutsche Zeitung, 5.2.93)

Und wenn denn schon anders als in einem internationalistischen Verbundsystem organisiert ein „normaler“ deutscher Imperialismus nicht zu haben ist, dann ist es dem schon am ehesten gemäß, er bestimmt den politischen Rahmen gleich wesentlich mit, in den er sich dann freiwillig einordnet. WEU heißt die konstruktive deutsche Kritik an der eigenen Nato-Vergangenheit und die Form, in der man aus der Geschichte zukunftsweisende Lehren für Deutschland zu ziehen vorhat: Nach den Vorstellungen des „Bonner Blauhelm-Kompromisses“ soll in Zukunft das Parlament mit Zweidrittelmehrheit darüber entscheiden, wann deutsche Interessen in welchem Bündnisfall gut aufgehoben sind und die Bundeswehr das Recht zur „kollektiven Selbstverteidigung“

„gemeinsam mit anderen Staaten im Rahmen von Bündnissen und anderen regionalen Abmachungen, denen die Bundesrepublik angehört“ (Frankfurter Rundschau, 14.1.93)

wahrzunehmen hat.

Die vaterländischen Empfehlungen der SPD passen hierzu genau:

„Ausgesprochene Kampfeinsätze sollten wir nicht machen, solange wir nicht Klarheit darüber haben, welche Position die Deutschen in Europa wirklich haben.“ (Klose, ebd.)

Bedenken dieser Art sind im übrigen auch sonst bei der Regierungsmannschaft gut aufgehoben. Die denkt ja keineswegs daran, demnächst immer und überall und sofort per Krieg einzusteigen oder sich in irgendetwas zu „verstricken“, das nicht im nationalen Interesse Deutschlands liegt. Sie unternimmt ja umgekehrt alles ihr Mögliche, damit deutsche Kriege wirklich nur der Sache der deutschen Nation dienen, so daß sich über kurz oder lang bezüglich der passenden Rechtsform die geeigneten Worte für die Verfassung sicher finden werden.