Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
‚Bild am Sonntag‘
Der geistige Nährstoff für die deutsche Volksfamilie
Die Vorrunde der EM läuft noch, zum gemütlichen Sonntag fehlt nur noch die ‚BamS‘, damit man beim Wichtigsten auf dem Laufenden bleibt, und prompt wird man bedient: „Krach um Spielerfrauen“, titelt die ‚BamS‘ in fetten Lettern – und ringt damit der Nation augenblicklich einen Riesenseufzer ab: Ja um Himmels willen! Dass es im Mittelfeld nicht stimmt, wusste man, schlimm genug. Dass Weiber den deutschen Spielfluss torpedieren, muss man jetzt auch noch hören, und das kann ja wohl nicht wahr sein. Es ist aber wahr, wie „Schweini und sein schönes Model Sarah“ – er im kleinen Bild und sie im großen, beide im Deutschlandtrikot – plastisch vor Augen stellen: Pflicht vs. Neigung, öffentlicher Dienstauftrag beim Kicken vs. Spaß am Spiel woanders – das ist der Schlager am Sonntag vor dem wichtigsten Montag, den es seit langem gab.
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‚Bild am Sonntag‘: Der geistige Nährstoff für die deutsche Volksfamilie
Die Vorrunde der EM läuft noch, zum gemütlichen Sonntag
fehlt nur noch die ‚BamS‘, damit man beim Wichtigsten auf
dem Laufenden bleibt, und prompt wird man bedient:
Krach um Spielerfrauen
, titelt die BamS in fetten
Lettern – und ringt damit der Nation augenblicklich einen
Riesenseufzer ab: Ja um Himmels willen! Dass es im
Mittelfeld nicht stimmt, wusste man, schlimm genug. Dass
Weiber den deutschen Spielfluss torpedieren, muss man
jetzt auch noch hören, und das kann ja wohl nicht wahr
sein. Es ist aber wahr, wie Schweini und sein schönes
Model Sarah
– er im kleinen Bild und sie im großen,
beide im Deutschlandtrikot – plastisch vor Augen führen:
Pflicht vs. Neigung, öffentlicher Dienstauftrag beim
Kicken vs. Spaß am Spiel woanders – das ist der
Schlager am Sonntag vor dem wichtigsten Montag, den es
seit langem gab. Denn es geht morgen um ALLES!
,
genauer um das, was den Deutschen über all ihre
gewöhnlichen Sorgen hinweg gerade ihr Ein und Alles zu
sein hat, weil: Wenn Deutschland gegen Österreich
verliert, ist die EM vorbei.
Für einen Deutschen,
davon geht die BamS schlicht aus, kann der ganze Sinn und
Zweck einer EM ja wohl nur darin liegen, dass Deutschland
den Titel holt. Wenn wir verlieren, ist die EM überhaupt
vorbei, denn was sind schon die Spiele der anderen, wenn
wir draußen sind und damit die Hauptsache fehlt, die uns
seit einer Woche bewegt und Tag für Tag mehr zu unserer
ganz persönlichen Hauptsache wird! Ein kleiner Kasten
daneben – OTTO RAUS!
– unterstreicht das Gewicht
der Schicksalsstunde. Wir erinnern uns an die letzte EM.
Die deutsche Elf lässt den Erfolg vermissen, den wir
natürlich von ihr haben erwarten können, die Ehrenrettung
der Nation erfolgt nur aus zweiter Hand durch den
deutschen Trainer der griechischen Siegermannschaft. Nun
ist der, unser Rehakles, schon weg vom Fenster –
Russen schießen König Otto vom Thron
–, womit klar
ist: Diesen Notnagel gibt es für Deutschland diesmal
nicht. Umso dringender daher der Sieg am Montag gegen die
Ösis. Zumal unser Team, zu dem außer den elf, die gerade
auf dem Spielfeld sind, ja noch circa 80 Millionen andere
dazugehören, gerade erst gegen Kroatien eine
KROATastrophe
erleben hat müssen. So ist die
Frage, ob auch wirklich nichts anbrennt und jeder an
seinem Platz alles für den gemeinsamen Erfolg tut, nur
allzu berechtigt. Und dann ausgerechnet so was:
Ausgerechnet vor dem Spiel gegen die Ösis...
ausgerechnet jetzt knirscht es in der Nationalmannschaft.
Es gibt Krach wegen der schönen Frauen der Stars, wie zum
Beispiel Schweinsteiger-Freundin Sarah. Ließ
Bundestrainer Jogi Löw die Frauen zu oft ins
Mannschaftshotel? Einige Spieler fürchten um die
Konzentration des Teams – Seiten 4/5
. An sich ist der
Intimbereich unserer Idole schon irgendwie deren Sache
und geht uns nichts an. Aber in dem Fall, wo so viel auf
dem Spiel steht? Da gehört sich unbedingt nachgefasst und
nach dem Rechten gesehen. Da ist jedes Detail zur heißen
Frage ‚Sex vor dem Spiel?‘ wichtig, hat also von
Interesse für jeden zu sein, dem am Erfolg unseres Team
etwas liegt. Leider können wir nicht gleich auf Seite 4
vorblättern, denn was da ebenfalls auf der ersten Seite
ganz oben steht, ist schon auch wichtig für uns:
*
Es geht um unser Geld, mit dem wir ja nun tatsächlich so
unsere Sorgen haben. ‚Bild am Sonntag‘ hat eine
exklusive Liste
, eine Liste also, die – wie vieles
– nur diesem Blatt vorliegt und die uns verrät, wer die
100 größten Strom-Abzocker
sind. Endlich sagt da
mal einer, wie es wirklich ist: Strom wird teurer und
teurer!
Und nicht nur das. BamS nennt die Übeltäter
auch beim Namen: Die 50 größten Preissteigerer und die
50 teuersten Anbieter finden Sie auf Seite 8
. Die
stehen zwar auch im Branchenverzeichnis, dort aber fehlt
der entscheidende Hinweis, den wir exklusiv unserer
Sonntagszeitung zu verdanken haben: Ist Ihrer auch
darunter, dann sollten Sie wechseln
. Da liegen wir
also ganz richtig mit unserem Urteil, dass wir von
Stromkonzernen übel ausgenommen werden; von den
Konzernen jedenfalls, die auf der Liste stehen; denn die
anderen verlangen ja nur Preise, die in Ordnung gehen.
Machen kann man da zwar nicht viel, eigentlich gar
nichts: Viel mehr als zu zahlen, was auf der Rechnung
steht, bleibt einem rechtschaffenen Bürger nicht. Aber
verarschen von den Konzernen lassen wir uns deswegen noch
lange nicht, denn an welchen von denen wir unser
knappes Geld überweisen: Das zu entscheiden
haben allemal noch wir in der Hand – und dank
der BamS können wir das jetzt viel besser!
Sicher, über kurz oder lang ändert sich darüber nicht
viel, wie uns der Bundesminister Tiefensee, der ja ein
Experte ist, das erläutert: Vieles ist teuer, weil es
wenig davon gibt
, und dies simple Marktgesetz gilt
auch für das Erdöl
. Das erklärt die Kosten für Benzin
und Strom, die uns jetzt plagen, aber auch die, die
demnächst auf uns zukommen. Doch dem Naturgesetz des
Marktes ohnmächtig ausgeliefert ist ein wacher Konsument
eben auch nicht. Bloß immer nur über die Preise für Strom
und Benzin zu meckern – das jedenfalls hilft überhaupt
nicht, und auch wenn der eigene Stromlieferant nicht auf
der Liste der Abzocker steht: Irgendwo findet
sich schon einer mit günstigeren Tarifen. BamS nennt uns
die Adresse im Internet, und wer da nicht nachschaut, ist
dann schon selbst an den Preisen schuld, die er zahlt.
Außerdem können wir ja noch viel mehr tun, Energie
sparen
zum Beispiel. Das schont nicht nur den
Geldbeutel, sondern auch noch das Klima, und das ist gut
für Deutschland, also für uns alle zusammen. Wenn nämlich
Strom, Heizöl, Gas und auch noch die Inflationsrate
weiter so steigen wie derzeit, dann leiden außer uns noch
ganz andere unter hohen Stromrechnungen: Dann ist das
Wachstum in Gefahr! Und was los ist, wenn unsere
Arbeitgeber
zuwenig Gewinn machen, ruft in
Fettdruck die Schlagzeile auf derselben Seite in
Erinnerung: Hohe Energiepreise kosten Jobs!
Damit
lernen wir dank BamS noch so ein im Grunde ganz simples
Marktgesetz kennen und damit auch, dass man sich zum
Thema Ölpreis weit gewichtigere Sorgen zu machen hat als
die, womit wir ihn bezahlen sollen. Solche um die
Arbeitsplätze
nämlich, die unsere
Wirtschaft
demnächst eventuell wegen zu hoher
Stromrechnungen wird einsparen müssen. Das ist bitter,
kann unsereiner doch auch dagegen nicht viel ausrichten.
Zu hoffen bleibt nur, dass bald von woanders billige
Energie herkommt. Es gäbe da ja eine Quelle, aber die ist
z. Zt. noch blockiert – wider alle Vernunft, wie eine
speziell für BamS von emnid durchgeführte Umfrage
ans Licht bringt. Denn BamS lässt fragen, ob der Bürger
den Ausstieg aus der Kernenergie nicht doch lieber
rückgängig machen lassen würde, und es stellt sich
heraus: Jeder zweite ist gegen einen Atomausstieg
.
Dann kann die Kernkraft ja wohl nicht so schlecht sein
wie ihr Ruf bei den ewiggestrigen Miesmachern! Gut, dass
sich das allmählich auch in Berlin herumzusprechen
scheint.
*
Ebenfalls von emnid exklusiv für BamS
gibt es die
Sonntagsfrage
. Sie lautet: Finden Sie es
richtig, dass Ausländer einen Wissenstest machen müssen,
um einen deutschen Pass zu erhalten?
, und wieder
kündigt sich ein überzeugendes Mehrheitsvotum unserer
aller Meinung an. Politiker beschließen, aus anderen
Ländern kommende, aber hier sesshafte und
einbürgerungswillige Volksteile trotz gewisser nicht
ausräumbarer Restzweifel als brauchbare Mitbürger zu
akzeptieren – wenn sie durch Beantwortung
einiger Fragen zum Thema Deutschland, seine Geschichte
und seine Demokratie
in einem Test zeigen, wie
positiv sie zu unseren Werten stehen. Es gibt
berechtigte, aber überflüssige Zweifel, ob viele echte
Deutsche diese Fragen aus dem Stegreif beantworten
könnten. Berechtigt sind sie, weil viele Deutsche das
tatsächlich nicht können, überflüssig, weil sie es ja gar
nicht müssen, sie sind ja schon Deutsche. Aber Ausländern
in Bezug auf ihre pro-deutsche Gesinnung auf den Zahn zu
fühlen, ist grundsätzlich nicht verkehrt, und prompt
stellt sich heraus: Männer und Frauen in Ost und West,
alt und jung – alle denken ungefähr gleich und genauso
wie die Politiker, und das ist eine doppelt gute
Nachricht. Wir haben nicht nur mehrheitlich gegenüber
Ausländern denselben Verdacht, dass die grundsätzlich
nicht so gut zu uns passen – schon das ist erfreulich,
weil es sich für ein funktionierendes Volk von selbst
versteht. Unsere persönliche Auffassung ist darüber
hinaus aber auch noch wirklich von Gewicht, hat
praktische Bedeutung, weil nämlich unsere Politiker mit
uns einer Meinung sind und aus der gleich ein Gesetz
machen, an das diese Fremden sich halten müssen – und das
ist ein Zeichen, wie gut sie an dem Punkt mal zwischen
oben und unten funktioniert, unsere Volksgemeinschaft!
Nur bei den befragten Schülern ist bloß die Hälfte der
Ansicht, dass man in unsere prächtige Volksfamilie nicht
so einfach aufgenommen werden kann; die andere Hälfte ist
gegen die Gesinnungsprüfung der künftigen Volksgenossen –
die hat wohl nicht vergessen, wie unangenehm ein
Wissenstest
ist, wenn man nichts weiß.
*
Das bringt uns zurück zum Titelblatt. Ganz unten auf der
ersten Seite ruft die BamS Deutschland braucht bessere
Lehrer
, denn, so der Untertitel: Deutschland
verspielt die Chancen seiner Kinder
. Wir sind
hellwach, denn nicht irgendein Sorgeobjekt wird uns da am
arbeitsfreien Sonntag ans Herz gelegt: Unsere Kleinen
sind es, an denen uns so viel liegt. Doch was müssen wir
da hören? Die Deutschen stehen im Rahmen der
Globalisierung im Wettbewerb mit den besten Köpfen der
Welt
, ziehen dabei viel zu oft den Kürzeren, und
daheim sind unsere Betriebe entsetzt über ungebildete
Jugendliche
, weil die einfach nicht für das taugen,
wofür sie taugen sollen. Das sieht nicht gut aus. Das
sieht vielmehr ganz danach aus, dass es in Deutschland an
der Bildung fehlt, die wir brauchen, und siehe da:
Jetzt stellt Unionsfraktionschef Volker Kauder einen
Fünf-Punkte-Plan vor, wie die Bundesrepublik zur
‚Bildungsrepublik‘ werden kann
. Natürlich liegt der
Plan des klugen CDU-Politikers der ‚Bild am Sonntag‘
wieder exklusiv vor, und so, wie sie ihn einleiten, haben
die Macher des Blattes auch schon einen ersten wertvollen
Beitrag zur deutschen ‚Bildungsrepublik‘ geleistet. Sie
haben uns die Augen geöffnet über das wahre
Problem, das in jungen Analphabeten, Schulabbrechern und
Azubis ohne Lehrstelle steckt: Deutschlands und
damit unser aller Zukunft wird verspielt, wenn
wir weiter aus den Chancen unserer Kinder nichts machen!
Das ist die allererste Bildungseinheit, die das Land
benötigt: Deutschland braucht die besten Köpfe
der Welt, mehr Spitzentechnologen, mehr Nobelpreisträger
als Japaner oder Amis aufbieten können; unsere
Betriebe brauchen Jugendliche, die auch verstehen
können und erledigen wollen, was sie zu tun haben – weil
sonst aus uns und deswegen aus unseren
Kleinen nichts wird! Fragt sich, wie es zu der schlimmen
Lage überhaupt hat kommen können, und schon geben ganz
dicke Lettern, die die Seiten 6 und 7 überspannen, den
ersten Hinweis: Die besten Köpfe müssen Lehrer
werden!
Und warum sind die besten Köpfe das nicht
schon längst? Die Antwort auf Seite 9 im Kommentar von M.
Backhaus ist erschreckend: Als Lehrer bist Du der
letzte Arsch!
, und solange das so bleibt, wird es
schwer werden, die besten Köpfe für den Job zu gewinnen.
Lehrer haben keinen nennenswerten Einfluss ... In den
Klassenzimmern herrscht häufig ein Lärmpegel, bei dem
andere Arbeitnehmer Kopfhörer aufsetzen müssten. Das
Schlimmste aber ist der mangelnde Respekt, der Lehrern
seit Jahren in der Gesellschaft, von Schülern und Eltern
entgegengebracht wird.
Ohne Disziplin und Ordnung
können wir die Hoffnung auf den weltweiten Siegeszug
unserer Nobelpreisträger abschreiben, worüber sich
natürlich schon wieder die Frage aufdrängt, wie solche
desolaten Zustände haben überhaupt einreißen können. Wir
haben da so unseren Verdacht, aber es ist natürlich etwas
ganz anderes, wenn dank BamS aus einer bloßen Vermutung
gesichertes Wissen wird: Ganze Lehrer-Generationen
haben zu diesem Trend beigetragen, indem sie sich zu
Kumpeln ihrer Schüler gemacht haben, ein distanzloses
Duzen pflegten. Lehrer sind die Fußabtreter der Nation
geworden.
Höchste Zeit, dass mit dem
Laissez-faire-Terror dieser 68er-Schluffen, die seit 40
Jahren versuchen, Deutschland ins antiautoritäre Chaos zu
stürzen, aufgeräumt wird – unseren Kindern
zuliebe!
*
Apropos Liebe. Noch mal zurück zur Seite eins, da war ja
noch so eine fette Schlagzeile: Flavio BriAMORE sagte
Ja
. Ach ja, der Mann heißt Briatore, aber wir kennen
ihn natürlich schon und erst recht die immer geistreiche
Wortakrobatik der Redaktion von BILD und BamS. Hauptsache ist
jedenfalls: „Die schöne Elisabetta (28) hat ihn,
diesen ‚Frauenflüsterer‘“, der schon so
viele Models vor ihr flachgelegt hat, endlich
gezähmt
und von der Ehe überzeugt
, was
natürlich einerseits für die schöne Elisabetta spricht,
andererseits nur unterstreicht, von welchem abgrundtief
menschennatürlichem Bedürfnis der Wunsch nach einer Ehe
Ausdruck ist. Denn das kann ja nicht von ungefähr kommen,
wenn zwei VIPs der Woche
, die über dermaßen
unschlagbare Attraktivitätsmerkmale auf dem
Geschlechtermarkt verfügen – er: reich, sie: Brüste,
die die Angewohnheit haben, aus dem Dekolletee zu
hüpfen
–, wenn also solche großen Persönlichkeiten
sich fürs Heiraten entscheiden. Da hat sich untrüglich,
wie ja bei vielen von uns normalen Menschen, auch bei den
zweien die Einsicht durchgesetzt, dass in letzter Instanz
aus der Liebe erst dann etwas Gescheites wird, wenn sie
einem höheren Zweckverbund gewidmet wird. Der Brigatone
mit seinem Boxenluder ist endlich dort angekommen, wo M.
Schuhmacher, ein anderes unserer großen VIP-Vorbilder in
diesen Belangen wie beim Autofahren, längst angelangt
ist: Ich kann jedenfalls aus eigener Erfahrung sagen,
wie gut es tut und wie schön es ist, verheiratet zu
sein
. Schon klar: Dem mag vielleicht nicht jeder von
uns umstandslos beipflichten, es hat halt jeder so seine
eigenen Erfahrungen mit der Ehe und ihrem Glück. Auf alle
Fälle aber und ungeachtet aller unserer Erfahrungen steht
fest, dass es nichts Schöneres gibt und nichts
besser tut als die Erfahrung, wie gut es tut und wie
schön es ist, verheiratet zu sein! Und damit wir bei der
Suche nach unserem Lebensglück in allen Höhen und Tiefen
Kurs halten, gibt uns BamS auf ganz vielen Seiten die
rechten Tipps. Soll ich mein Kind für ein schlechtes
Zeugnis bestrafen?
, heißt – neben 7 weiteren an
diesem Sonntag – so eine Frage, die für Frieden und Glück
im Schoß der Familie nicht selten entscheidend ist:
Ohrfeigen oder Trost – was können wir da tun, was dürfen
wir wollen? Nicht einfach jedenfalls, den richtigen
Kompromiss zu finden. Müssen wir den Grillplatz
hinnehmen?
, ist die nächste Frage, diesmal den
Frieden der Familie mit ihren Nachbarn betreffend – und
BamS sagt uns mit Verweis auf die einschlägigen
Gerichtsurteile, worauf wir im Reich unserer privaten
Freiheit alles ein Recht haben, aber natürlich auch, was
wir uns im Gegenzug wegen der Freiheit der anderen alles
gefallen lassen müssen: So kommt jeder auf seine Kosten.
Dann präsentiert BamS uns die günstigsten
Telefonvorwahlen, die günstigsten Gartenhandschuhe,
Kultur gratis – 1000 Freikarten
, und ein Rezept
für Erdbeereis mit Zutatenliste zum Ausschneiden – kein
Zweifel: Da kümmert sich wer um unser privates Glück, und
schon gleich an der Front, wo es am allerprivatesten ist:
Wie kann ich meinen Mann glücklich machen? ... Ich
kenne heute noch nicht seine erogenen Zonen. Zärtlichkeit
und Erotik fehlen fast gänzlich beim Sex
. Frau Dr.
Thiele, zuständig für den Ratgeber Gesundheit
der
BamS, hat studiert und kennt sich daher aus. Die eine hat
eben Brüste, die aus der Bluse hüpfen, die andere dafür
einen Kugelschreiber: Wie wäre es, wenn Sie ihm eine
erotische Geschichte schreiben ... (dies) könnte der
Auftakt zu einem wunderbaren Vorspiel sein
.
*
Wo viel so viel Licht und Glück ist, ist natürlich auch
Schatten: In BILD und
BamS ist das Böse immer und überall, die Aufklärung übers
Verbrechen ein feststehender Beitrag zur deutschen
Bildungsrepublik. Weil aber Sonntag ist, baut Pfarrer
Hahne diesmal ein sensationelles Erlebnis – eine
Unterschlagung hätte beinahe stattgefunden – zu einer
wunderschönen Predigt aus. Mit einer kleinen, aber
wahren
Geschichte, die dem Autor im Hotel
zugetragen
worden ist, zeigt er uns, dass die
klassische gute Nachricht
noch nicht ausgestorben
ist, die uns berührt, weil sie so selten vorkommt
.
„Wer tut so etwas heute noch?, leitet er das
unerhörte Ereignis ein, bei dem ein ehemaliger Junkie
durch Zufall bei der Arbeit viel Geld findet. Und was
passiert? Und heute gibt dieser Ex-Junkie ohne zu
Zögern den Sensationsfund von 120 000 Euro an den
rechtmäßigen Besitzer zurück. ‚Ich habe keine Minute
gedacht, das Geld zu behalten‘, sagt David den Reportern.
Im Nachhinein habe er sich wohl ausgemalt, was man mit
dieser Riesensumme alles hätte machen können. ‚Aber ich
habe durch Gott zu einem neuen Leben gefunden und bin
stark geblieben.‘
Ja, auch wir Anständigen wären da
wohl in Versuchung geraten, Böses zu tun – und
ausgerechnet von einem Junkie erfahren wir, dass wir auch
in den dunkelsten Momenten der Versuchung blind der
Stimme unseres Gewissens zu folgen haben! Sicher ist das
nicht einfach, aber der Glaube, wie man ja sieht, kann
dabei helfen. Beten ist und tut gut, ohne
fundamentalistische Übertreibungen dient es der
sittlichen Ordnung, an der sich keiner vergreifen darf,
will er mit uns unter einem Dach leben. Und da haben wir
zur Kenntnis zu nehmen, dass wir bei all unseren
berechtigten Vorurteilen gegenüber Ausländern, Junkies
und anderen Kriminellen manchmal auch über unseren
eigenen Schatten springen müssen: Der Held dieser Tage
ist für mich David. Ein Vorbild, das die innere Kraft
besaß, einer Versuchung zu widerstehen. Und all jene
Lügen zu strafen, die meinen: einmal kriminell, immer
kriminell.
Hin und wieder schickt Gott uns eben ein
Wunder in unsere kleine Welt und zeigt uns, dass am Pfad
der Tugend trotz aller Verbrechen kein Weg vorbei führt.
Und auch wer an Gott nicht glaubt: Ex-Junkie David
beweist, wie Recht Gott letztlich doch immer hat, auch
wenn manche meinen, es gäbe ihn gar nicht.
*
Aber auch die Welt außerhalb Deutschlands vergisst die
BamS nicht. Die Supermacht Amerika ist auf der
allerletzten Seite Thema, und von der hört man:
Hollywood liebt Obama
. Das ist vor allem deswegen
von Interesse, weil wir einmal nicht aus dem Mund von
politischen oder journalistischen Autoritäten gesagt
bekommen, wen oder was wir gut zu finden haben. Nein,
diesmal erfahren wir von unseren prominenten Stars in
Hollywood, wer von denen alles den Kandidaten
Obama liebt, und da können wir unsere Meinung viel freier
bilden. Denn die Liebhaber von Obama sind, wie BamS uns
zeigt, just die, die wir am meisten in Hollywood
lieben. Also liegen wir schon mal nicht verkehrt, wenn
wir zusammen mit denen den schwarzen Kennedy
mehr
mögen als den alten McCain; den finden ja, wie die BamS
uns gleichfalls in Bildern zeigt, nur ganz alte Promis,
die wir ziemlich alt finden, sympathisch
. Auch
wenn er etwas schwarz ist, was wir eigentlich nicht so
mögen: Erstens ist der Mann für unsere Vorbilder in
Hollywood ein Vorbild, und zweitens hat uns ja schon
einmal ein Kennedy gegen Böses aus dem Osten verteidigt –
nicht verkehrt also, Obama irgendwie besser zu finden als
den anderen.
*
Das Schicksalsspiel
gegen Österreich bewegt uns
alle in Deutschland
letztlich dann doch mehr.
Zugegeben: Was uns Bürger in Deutschland tatsächlich
bewegt, spielt sich maßgeblich im gewohnten Trott
zwischen Arbeit und Familie nach dem Feierabend ab und
eher nicht auf dem Fußballplatz. Aber diesen Kleinkram
kann man mal ja auch vergessen – und statt dessen
die Sache, die BamS an diesem Wochenende zur
Hauptsache der Nation erklärt, ins Zentrum der
eigenen Anliegen rücken und für sich
zur maßgeblichen Hauptsache erheben. Und das kann man
nicht nur, das soll man nach Auffassung der BamS auch
bitteschön unbedingt, denn das ist erstmal eine
Höllengaudi. Unter dem Titel: Jetzt bekommen die Ösis
was auf die Mütze
, können wir mit BamS diese
Schlappschwänze nicht nur daran erinnern, welch
minderwertiges Kollektiv sie repräsentieren – Nr. 92
der Fifa-Weltrangliste
. Wir können unserer
volksdeutschen Seele richtig Luft verschaffen und mit
nicht ganz ernst gemeinten Spitznamen
zum Ausdruck
bringen, dass der Spielführer dieser Gurkentruppe in
Wahrheit ANDI-I-HAB-SCHISS, Kapitän ohne Mumm
heißt. Und was gibt es an der eigenen Mitgliedschaft in
einem überlegenen Kollektiv überhaupt Schöneres zu
genießen als die abgrundtiefe Verachtung, die man für
Vertreter eines minderwertigen Haufens übrig hat?! Und wo
dieses inferiore Kombinat von Bergen und
Schluchtenscheißern
, das uns permanent mit
Autobahnvignetten und Staus traktiert, in seiner
hoffnungslos absurden Zuversicht noch meint: Die Fans
sind unser 12. Mann – das bringt uns den Sieg!
(Krankl) – da ist unsere BamS
schon längst als Produktivkraft zur Mobilisierung
unseres 12. Mannes unterwegs: Kaufen, essen und
sparen, alles wie gehabt, diesmal aber eigens für den
Sieg am Montag – EM-Angebot für Montag: Gutschein in
der Montagsbild für 6 Grillwürstl und 6 halbe Bier für
einen Euro bei Lidl einzulösen
. Nicht dass uns beim
Brüllen und Fahnenschwenken für Deutschland ausgerechnet
Hunger und Durst den Spaß verderben!
*
Aber noch ist ja Sonntag, womit wir auf den Seiten 4 und
5 endlich wieder bei der ernsten Frage wären: Zu viele
Frauen im Hotel?
Was an der alles hängt, haben wir
mittlerweile begriffen, also wollen wir im einzelnen
wissen, wovon da unser aller Glück abhängig ist, und dank
BamS können wir uns den nötigen sachverständigen Einblick
verschaffen. Denn wir alle in unserer Eigenschaft als
Strompreiszahler, Familienvorstand und Kindererzieher,
Sparer und Konsument, sind keineswegs nur
vorgestelltermaßen eine einzige große deutsche Familie.
Wir können das, was wir in Wahrheit sind, auch ganz
wirklich und hautnah erleben, als deutsche Fans des
Fußballteams der Deutschen zum Beispiel – BamS führt uns
eigens zu dem Zweck ins Familienleben der Helden unserer
Nation ein: Blond und begabt: Sarah Brandner (19) ist
seit Juni 2007 Freundin von Bastian Schweinssteiger (23).
Die Schülerin (12. Klasse) arbeitet als Model ...
Doppeltes Glück: Miro Klose (30) heiratete Sylwia (29) im
Dezember 2004. Am 29. Januar kamen die Zwillinge Luan und
Noah zur Welt ... Frau mit Pfiff: Conny (35,
Grundschul-Lehrerin), unterstützte Jens Lehmann (38) beim
Polen-Spiel von der Tribüne aus
. Sieht so weit gut
aus, aber leisten die Blondinen auch für unser
gesamtdeutsches Familienglück das Nötige? Einerseits
schon, weil sie morgen in Wien wie ein Mann hinter
Deutschland stehen. Die meisten Frauen und Freundinnen
unserer Stars sind dabei, wenn die Nationalelf gegen
Österreich um das Weiterkommen bei der EM kämpft.
Aber Vorsicht: „Ist es auch richtig, dass die Damen in
den letzten Tagen so oft ins eigentlich abgeschirmte
Mannschaftshotel Il Giardino
(Italienisch für der Garten
) im
schweizerischen Ascona durften? Dass sie sich am Pool
räkelten? Dass sie in einem Fall sogar mit ihrem Liebsten
auf der Liege kuschelten?“ Ob das richtig ist? Eine
hochinteressante Frage schon deswegen, weil sich erst
morgen herausstellen wird, ob’s verkehrt war. Bis dahin
halten wir es mit unserem Trainer: Es wird morgen ein
Tag der Extreme
. Das klingt vielversprechend, aber
auch dunkel. Gut, dass BamS so helle Köpfe in der
Redaktion hat: Wenn wir morgen die Ösis putzen, ist
die Liebestaktik aufgegangen. Und wenn nicht? Dann wird
der Krach um die Spielerfrauen und Jogis lange Leine wohl
erst richtig losgehen.
Mit Sex zum Sieg ist eine
prima Taktik, nach dem Vögeln zu verlieren die absolut
verkehrte Strategie: Jetzt wissen wir Bescheid.
*
Was vor diesem Krach in Deutschland – nicht zuletzt dank
BamS – normal ist und auf jeden Fall schon mal richtig
losgehen wird, sagen uns unter der Rubrik: Das sagen
die Fans
Deutsche mit ihrer ganz persönlichen
Meinung: Für sie geht es morgen um Alles, und unser aller
Schicksal geht ihnen dermaßen nah und unter die Haut,
dass uns an diesem Sonntag ein letztes Mal klar wird,
worauf es beim Fußball, aber auch bei allen öffentlichen
Beiträgen der BamS zur deutschen Bildungsrepublik
ankommt: Wenn wir, das Volk, uns eine eigene machtvolle
öffentliche Stimme wünschen könnten, würden wir uns dazu
die BamS bestellen, gäbe es die nicht schon. Nicht
deswegen, weil die uns immer nur nach dem Mund redet. Oft
genug sagt sie uns ja überhaupt erst, wie wir die Dinge
zu sehen und zu nehmen haben. Ohne kompliziertes
Drumherum bringt sie in ganz großen Buchstaben die Sache
auf den Punkt, erinnert uns immer wieder daran, dass wir
in allem Herumgewurschtel in Arbeit und Familie, als
Konsument und Steuerzahler, letztlich viel mehr gemeinsam
haben, als wir manchmal glauben: Als Deutsche
sind wir wirklich eine Gemeinschaft! Was wir als
die alles mögen, wichtig finden oder wichtig zu finden
haben, vergessen wir allzu oft – von der BamS erfahren
wir es, in der großen Welt draußen wie in der kleinen
unserer privaten Sorgen. Wir erfahren von ihr, worauf wir
im Namen dessen, was uns verbindet, aufzupassen haben, ob
da jeder im Land auch tut, was er für unser aller Wohl zu
tun hat, unsere Arbeitgeber und Politiker eingeschlossen,
denn was bei der EM gilt, ist im Grunde doch dasselbe,
was immer und überall zu gelten hat: Wir brauchen
einen Sieg Deutschlands, dann geht’s uns Deutschen
gut! Und das kann man bei einer EM auch noch
genießen, wenn man ganz deutlich merkt, was für ein
schönes Gefühl es ist, so ein Volk zu sein, und wie
wunderbar, es auch mal auszuleben. Das können wir der
‚BamS, wenn sie sich nach ihr erkundigt, nicht nur in dem
Fall als garantiert unsere eigene Meinung zu Protokoll
geben. Durch BILD am
Werktag und ‚Bild am Sonntag‘ aufgeklärt über alles, was
uns Deutsche angeht, sitzt unser Urteil in nahezu allen
Belangen dermaßen bombenfest, dass unseren
Lieblingszeitungen die Artikel gerade da überzeugend
gelingen, wo sie einfach nur uns zu Wort kommen lassen!
Und weil manchmal Bilder mehr sagen als viele Worte,
gibt’s von BILD noch
einen Wettbewerb für schwangere Frauen, die ihren
kugelrunden Bauch als schwarz-rot-goldenen Fußball
bemalen und ablichten lassen: Wer mitmacht, hat in jedem
Fall gewonnen.
*
Vielleicht gibt es sie heutzutage ja wirklich: werdende Mütter, die es lustig finden, ihre Fruchtblase als Symbol für Deutschlands Recht auf Fußballerfolge öffentlich herzuzeigen. Aber wenn es sie gibt und vor allem wenn es dafür ein Publikum gibt, dann ist das eindeutig ein Verdienst der intellektuellen Zyniker in der zuständigen Springer-Redaktion, die sich Woche für Woche neue Dummheiten ausdenken, mit denen sie in ihrem Adressatenkreis für gute patriotische Laune zu sorgen gedenken. Die Zumutung an BamS-Leser, sich zu derartigen schwarzrotgoldenen Spaßvögeln zu erniedrigen, ist mal wieder so ein Glanzlicht.
So etwas ist der folgerichtige Endpunkt einer ohne Staatsauftrag, rein geschäftsmäßig betriebenen Agitprop-Veranstaltung, die völkischen Gemeinschaftsgeist nicht einfach praktiziert – so wie jedes ehrbare demokratische Öffentlichkeitsorgan das tut, wenn es sich in diesem Geist über die besten Erfolgswege der Nation den Kopf zerbricht –, sondern mit journalistischen Mitteln inszeniert; und zwar für eine Klientel, der die BamS-Macher sich selber ganz entschieden nicht zurechnen. Die produzieren methodisch zielbewusst patriotische Botschaften für ein Publikum, das sie sich nach allen Regeln elitärer Massenverachtung als dummes braves Fußvolk vorstellen: den gegebenen Lebensverhältnissen hilfs- und hoffnungslos ausgeliefert, aber ideell, im Zeichen eines teils beleidigten, teils befriedigten Gerechtigkeitswahns, subjektiv ganz Herr der Lage; vollgesogen mit dem Bewusstsein, mit der Zugehörigkeit zum gemeinen deutschen Wesen die Kompetenz zur Beurteilung aller großen und kleinen Weltaffären zu besitzen, ohne von denen mehr als ein Stichwort mitbekommen haben zu müssen; allzeit bereit zur Abstraktion von den eigenen materiellen Existenzbedingungen und zum Genuss nationalkollektiver Gefühle, zur Bewunderung erfolgreicher Zeit- und Volksgenossen und zur Verachtung von Versagern. Aus ihrem Bild vom lesefähigen und lebenstüchtigen, bis zur Verblödung nationalistisch befangenen, ahnungslosen, aber schlauen Volk leitet diese Redaktion ihren Versorgungsauftrag ab: Woche für Woche arrangiert die BamS ein 80 Seiten langes ideelles Volksfest, das den Opfern des Systems die Teilhabe an dem verlogenen Konstrukt einer sittlichen Gemeinschaft gewährt.
Menschenverachtend findet das niemand. Stattdessen finden sich genügend Kunden, die dafür auch noch 1,50 € Eintritt zahlen. Eine ungemütliche Situation.