Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Große Koalition zur „Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort“

Die Länder, die es einfacher haben wollen mit der Abschiebung von Flüchtlingen, entdecken die Entwicklungshilfe als gezieltes Erpressungsmittel. Ganz anders als im Fall von DDR-Flüchtlingen, die wegen ihrer nützlichen Rolle willkommen waren.

Aus der Zeitschrift

Große Koalition zur „Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort“

Kinkel, Waigel, Schröder: Einer nach dem anderen begeistert sich öffentlich für die Idee, die Entwicklungshilfe künftig an die Bedingung zu knüpfen, daß die „Nehmerstaaten“ ihre bei uns illegal eingewanderten Hungerleider zurücknehmen.

Das ist Entwicklungshilfe konsequent zuende gedacht: Erst verhelfen die großen „Geberländer“ ganzen Regionen zu einer „Entwicklung“, die die Lebensverhältnisse dort für die Masse der Bevölkerung unerträglich macht. Wenn sich dann die Mobilsten auf den Weg in die Metropolen des kapitalistischen Reichtums machen, dann registrieren deren politische Sachwalter das als ihr Flüchtlingsproblem. Das bekämpfen sie, indem sie ihre Grenzen vor der heranströmenden Flüchtlingsflut dichtmachen. Wer es dennoch irgendwie schafft, die Grenzen zu überwinden, ist damit illegaler Einwanderer, krimineller Ausländer also, der nur eines verdient: seine unverzügliche Ausweisung in das Elend, aus dem er herkommt.

Wenn das Empfängerland die Abgeschobenen nicht dankend zurücknimmt, sondern z.B. auf solchen Umständlichkeiten wie dem Nachweis besteht, daß die Zurückgeschickten es wirklich bei ihm und nicht beim Nachbarn es nicht mehr ausgehalten haben – Neger ist doch Neger, oder?! –, dann besinnen sich die humanitär gesinnten Entwicklungshelfer auf die Abhängigkeit, in die sie die Adressaten ihrer Entwicklungshilfe gebracht haben – ein bemerkenswertes Eingeständnis ihrer Verantwortung für die dortigen Zustände – und sorgen für die Beseitigung der Ursache ihres Flüchtlingsproblems. Mit dem Geld, das die Machthaber vor Ort brauchen, um ihren Laden überhaupt unter Kontrolle zu halten, erpressen sie diese dazu, die „Schüblinge“ aus Deutschland wieder zurück- und unter ihre Kontrolle zu nehmen. Für ein Zwangsregime, das effektiv dafür sorgt, daß dem Elend niemand entkommt, dafür gibt es sie dann, die Entwicklungshilfe.

Wie konnten sich diese demokratischen Herrschaften bis neulich noch über das „Völkergefängnis“ namens DDR ereifern; so sehr, daß sie heute noch das dringliche Bedürfnis verspüren, deren Führungsfiguren für das „menschenverachtende Grenzregime“ ihres Staates zu verfolgen und zur Verantwortung zu ziehen. Aber das kann man natürlich überhaupt nicht vergleichen: Damals hatten sie schließlich gewichtige imperialistische Gründe für ihren Humanismus, der allen DDRlern, die die Verhältnisse in ihrem Staat für unerträglich befunden haben, ausdrücklich Recht gegeben, jedem Fluchtwilligen einen deutschen Paß und ein Begrüßungsgeld versprochen und ganz viel Reisefreiheit gefordert hat.