Bad Bank
Viel Geld zur Rettung der Banken, eine Lektion über die Verrücktheit des Kapitalismus gratis als Dreingabe
Ungefähr so soll man sich das denken: Die Krise zieht sich hin, weil die Geschäfte einfach nicht wieder in Gang kommen. Das kommt daher, dass die Banken, „Lebensader unserer Wirtschaft“, die Geschäftsleute nicht mit dem Kredit versorgen, den die brauchen. Das tun sie nicht, weil sie auf „vielen Giftpapieren“ sitzen, weshalb zwischen ihnen wie im Umgang mit der restlichen Geschäftswelt einfach „kein Vertrauen mehr“ ist. Klar daher, dass der Staat ihnen unbedingt wieder zu dem und darüber uns allen aus der Krise verhelfen muss: Ein „ultimativer Schritt zur Rettung der Banken“ unter dem Titel ‚Bad Bank‘ soll das leisten.
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Systematischer Katalog
Bad Bank
Viel Geld zur Rettung der Banken, eine
Lektion über die Verrücktheit des Kapitalismus gratis als
Dreingabe
Ungefähr so soll man sich das denken: Die Krise zieht
sich hin, weil die Geschäfte einfach nicht wieder in Gang
kommen. Das kommt daher, dass die Banken, Lebensader
unserer Wirtschaft
, die Geschäftsleute nicht mit dem
Kredit versorgen, den die brauchen. Das tun sie nicht,
weil sie auf vielen Giftpapieren
sitzen, weshalb
zwischen ihnen wie im Umgang mit der restlichen
Geschäftswelt einfach kein Vertrauen mehr
ist.
Klar daher, dass der Staat ihnen unbedingt wieder zu dem
und darüber uns allen aus der Krise verhelfen muss: Ein
ultimativer Schritt zur Rettung der Banken
unter
dem Titel ‚Bad Bank‘ soll das leisten. So etwas gab es
hierzulande noch nie, auch ist der Aufwand bedenklich
hoch. Aber erstens ist er unumgänglich – die Zeit
drängt
. Zweitens ist das Modell eine bestechende
Idee
, und drittens ist es gar nicht unlogisch
,
wie die Krise da vom Staat angepackt wird: Den Zweck,
Banken von ihren schlechten Papieren
zu entlasten,
erledigt eine eigens zu dem Zweck gegründete
Zweckgesellschaft, das ist sehr logisch. Eine Extra-Bank
verbucht Wertpapiere, die keinen Wert haben, als ihr
Vermögen, reicht es in Form von Anleihen, deren Wert der
Staat garantiert, an die Banken zurück, und das besticht:
Die haben wieder sanierte Bilanzen
, können
einander wieder vertrauen
und das
Kreditgeschäft beleben
. So kann die leidige Krise
dann auch wieder mal aufhören.
Das ist nicht gerade wenig, was man sich da irgendwie als plausibel, jedenfalls aber als dringend geboten einleuchten lassen soll.
*
Dem verfestigten Meinungsbild über die Güte der
Geschäftsartikel, mit denen Banken zu wirtschaften
pflegen, ist eines sicher nicht zu bestreiten: Für den
Zweck, für den sie ihm zufolge funktionieren sollen,
taugen sie gerade nichts. Blöd nur, dass die gar nicht
für den Zweck erfunden wurden, das Geschäftsleben immer
und überall mit Kredit zu versorgen, sondern für den
Zweck nicht funktionieren, für den sie erfunden wurden.
Diese feinen strukturierten Papiere
der Bankhäuser
sind, wie die Fachleute glaubhaft versichern,
kritisch
. Was sich hinter den Kürzeln des
Fachjargons, den mittlerweile jeder beherrscht, verbirgt,
ist schwer bewertbar
, kaum veräußerbar
, es
sind wertlose Giftpapiere
, die möglichst rasch
entsorgt
werden sollen. Dieselben Fachleute berichten
allerdings auch über äußerst seltsame Probleme, die sich
im Zuge dieser Entsorgung einstellen:
Schrottpapiere
einfach wegwerfen wie Schrott? Um
Himmels willen! Das kommt keinesfalls in Frage,
toxischen
Sondermüll dieser Art verbrennt man
nicht einfach, nein, da braucht es eine ganz spezielle
Sonderdeponie. Denn die Entsorgungsschwierigkeiten bei
dem Müll beginnen schon mit der interessanten Frage, von
wie vielen Giftpapieren das Vermögen der Banken
durchsetzt ist. Das ist deshalb so schwer zu ermitteln,
weil man dazu ja wissen müsste, welche Papiere
toxisch
sind und welche nicht, und das ist den
Zetteln, die neben den – noch – als astrein geltenden
Anleihen bei den Banken lagern, einfach nicht anzusehen:
Was sie aktuell wert sind und ob überhaupt noch etwas,
wie viel sie demnächst wieder wert sein könnten oder ob
sie für immer wertlos bleiben – das alles steht auf ihnen
nicht drauf. Indizien fürs Spekulieren darüber mag es,
wie für alles, für die Profis des Wirtschaftens mit
Schulden und Risiken reichlich geben. Doch für diese
Anhaltspunkte ihrer Kalkulationen gilt dasselbe wie für
den Stoff ihrer Spekulation: Was der wert ist, wird
von ihnen praktisch entschieden, und zwar
dadurch, dass sie mit ihm ihren Handel treiben.
Nur tun sie das gerade nicht, die sonst übliche
Konkurrenz zwischen Anbietern und Nachfragern, die den
Preis der Handelsware ‚Wertpapier‘ ermittelt, ist von
ihren Agenten selbst suspendiert worden, und warum, ist
kein großes Geheimnis: Banken in ihrer Eigenschaft als
Käufer kaufen voneinander nichts, weil sie fürchten, sich
statt einer sich automatisch vermehrenden Geldquelle
einen wertlosen Zettel an Land zu ziehen; in ihrer
Eigenschaft als Verkäufer machen sie sich mit ihren
reichlich vorhandenen Angeboten gar nicht erst auf
Kundensuche, weil sie fürchten, in Gestalt ausbleibender
Nachfrager definitiv die Wertlosigkeit ihrer
Handelsartikel bescheinigt zu bekommen; und wer die zur
Saldierung seiner Konten gleichwohl verkaufen muss, senkt
damit den Preis der verkauften Warengattung und dezimiert
seinen Besitzstand gleich weiter. So absolut verrückt
geht es zu in einer freien Marktwirtschaft, der besten
aller Welten: Mit Wertpapieren wird nicht gehandelt, weil
sie nichts wert sind, und sie sind nichts wert, weil mit
ihnen nicht gehandelt wird! Schon das ist absurd, noch
absurder ist, welche verheerenden Folgen dies nach sich
zieht: Weil Schulden in Gestalt von Papieren mit
verbrieftem Versprechen, demnächst mehr wert zu sein als
heute, keinen Interessenten mehr finden, der über ein
‚Investment‘ in sie reicher werden will, läuft auch
gleich im ganzen Rest dieser feinen Wirtschaft nichts
mehr so, wie es soll. Produzenten und Händler ganz
handgreiflicher Gebrauchswerte und am Ende auch noch der
Haushalt des Staates geraten in die Krise – weil Leuten,
die mit Zetteln ohne Gebrauchswert und Wert handeln, die
Geschäftsgrundlage ihrer Bereicherung entfallen ist!
*
Exakt dieser marktwirtschaftliche Irrsinn wird mit der
‚Bad Bank‘ am Leben erhalten, koste es, was es will. Ein
gigantischer Aufwand wird eigens zu dem Zweck betrieben,
möglichst nichts von dem fiktiven Kapital der
Banken, das sich als wertlos herausgestellt hat, auch als
wertlos abzuschreiben. Statt dessen wird eine nach allen
Regeln der Fälschungskunst hinkonstruierte
juristische Fiktion von Werthaltigkeit auf das
wertlos gewordene Bankvermögen draufgepflanzt – in
Gestalt einer Bank, die offiziell mit einem Bankrott ihre
Geschäftstätigkeit aufnimmt, genau darüber aber alle
übrigen Banken vor selbigem retten und ihnen die
Grundlage weiterer Geschäftsfähigkeit stiften soll: Damit
die wieder ins Plus kommen, dürfen sie das Minus in ihren
Bilanzen bei einer Gesellschaft mit dem sinnigen
Geschäftszweck verstauen, entwertete Geldvermögen 20
Jahre lang bei sich als Reichtumsquellen im Wartestand zu
lagern – wenn der Staat sich der Sache annimmt, geht
kapitalistische Geldvermehrung in erstaunlichem Umfang
auch einfach per Bundesgesetz! Im Gegenzug für die
Abwrackprämie in Höhe von 10 % des Buchwerts der
wertlosen Zettel, für die sie in dem Fall selbst
aufkommen müssen, erhalten die Banken dann wieder
reichlich von dem Stoff, mit dem sie sich und den Rest
der Volkswirtschaft in die Scheiße gewirtschaftet haben:
Neue Schulden, für deren Güte diesmal nicht die
Phantasie ihrer Strukturierungskünste, sondern die
Staatsmacht bürgt – die sie deswegen auch wieder
gut und nach allen ja prima bewährten Regeln ihres
Gewerbes als Quelle der Geldvermehrung in ihrer Hand
verwenden können! Das ist die banale Sache, die
in dem blöden Bild von der Lebensader
, an der wir
alle hängen, so perfekt erschlagen wird. Das ist der
Zweck, für dessen Rettung
der Staatsmacht
einfach nichts zu teuer ist, und wer sich da ans Hirn
greift und fragt, in welcher Welt er denn eigentlich
lebt, liegt allemal richtig. Er sollte nur nicht aufhören
mit dem Fragen, denn was ist schon die Gründung einer
‚Bad Bank‘ gegen den Irrsinn des Geschäftsprinzips, für
dessen Fortbestand sie sorgen soll?!
*
Immerhin lässt sich dem Endpunkt der beliebten Wenn-dann-Beziehungen, mit denen die Experten der Marktwirtschaft alle Idiotien ihres Ladens in funktionell aufeinander bezogene Sachgesetze des Wachstums umdichten und aus denen dann ableiten, warum die Sanierung des Bankwesens für den Staat ein einziges Muss ist, ja schon auch eine Wahrheit zu entnehmen: Wenn sie und zusammen mit ihnen alles, was in Politik und Wirtschaft hierzulande Rang und Namen hat, ein ums andere Mal versichern, dass ohne ein saniertes Bankenwesen kein Wachstum läuft, dann kann man das ja auch einmal für sich stehen lassen – und sich fragen, welcher Reichtum in so vorbildlichen Marktwirtschaften wie der unseren dann mit einem florierenden Bankgeschäft blüht. Das wird dann offenbar exakt der sein, der in genau diesem Geschäftszweig zur Blüte gelangt. Schulden als Ware zu handeln, ausgeliehenes Geld in Vermögenstitel mit eingebautem Wachstumsversprechen zu verwandeln und gewinnbringend an den Mann zu bringen – das ist die Quelle des Reichtums, ohne deren Funktionieren es keinen anderen gibt! Fanatiker des Wachstums von BIP- und Exportziffern geben selbst zu Protokoll, von welchem allerersten Prinzip das Geschäftsleben in dem von ihnen angehimmelten Laden regiert wird. Fremdes Geld als Geldquelle für sich wirken zu lassen, es als diese in beliebig vervielfältigte Formen zu bringen und die zu verkaufen und zu kaufen – nein, das macht nicht nur die Händler dieser Ware reich: Das ist zugleich das Lebenselixier der ganzen übrigen Wirtschaft, einschließlich der Schuldner selbst! Und das ist für den ganzen Rest dieser großartigen Marktwirtschaft die Klarstellung, dass er sich auch als Erfüllungsgehilfe dieser Sorte Reichtumsvermehrung zu bewähren hat. Es ist die Lektion darüber, dass die in der Welt des Finanzwesens exekutierten Gleichungen – Geld ist mehr Geld und Geld wegzugeben, um das Recht auf mehr Geld in Händen zu halten, ist die Methode aller Methoden der Reichtumsmehrung – die Regie über all das führen, was sich in der sog. ‚Realwirtschaft‘ als Kommandomacht des Geldes entfaltet. Denn sie sagen es ja selbst: Wenn diese Gleichungen nicht mehr aufgehen, unterbleibt eben an vielen Stellen das Einkaufen von Produktionsmitteln und Arbeitskraft, und dass in diesem Zug bei der Beschaffung der Mittel zum Lebensunterhalt aller gewöhnlicher Geldverdiener erst recht manches unterbleibt, versteht sich für sie ohnehin von selbst.
*
Der Verdacht, dass ‚Geld die Welt regiert‘, begleitet die Marktwirtschaft ab und an auch dann, wenn sie nicht in der Krise ist. Ist sie dies, nimmt der Verdacht gelegentlich auch als Vorwurf moralisch Gestalt an. Das ist nicht gut. Man sollte dieser Welt, die einem mit der Erfindung von ‚Bad Banks‘ dermaßen klare Lektionen darüber erteilt, worauf es in ihr ankommt, einfach keine Vorwürfe machen. Besser, man nimmt nüchtern und sachlich den Inhalt der Lektion zur Kenntnis – und dann stößt man von selbst auf die Entdeckung, dass Geld, näher: Geld in seiner Bestimmung, mehr zu werden, für etwas anderes gar nicht da ist, als die Welt zu regieren. ‚Bad Bank‘: alle Absurditäten dieser Konstruktion zur Rettung des Bankwesens, der gigantische Aufwand, mit dem sie ins Leben gerufen und dann 20 Jahre lang gepflegt wird, all das stellt klar, wie unbedingt und unerbittlich das Regime des Geldes, der Sachzwang seiner Vermehrung das Leben der Marktwirtschaft kommandiert. Und wenn man das kapiert hat, hat man einfach keine Lust mehr, dieses Leben mit dem blöden Urteil zu begleiten, es wäre nicht gerecht, weil es in ihm doch eigentlich um etwas anderes ginge.