Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Abwrackprämie oder:
Die schäbige Rolle der kleinen Kaufkraft
Die Behauptung, der Staat wolle seine Bürger von ihren alten Kisten erlösen, hat gottseidank keiner in die Welt gesetzt. Auch dass er der armen Umwelt einen Gefallen tun wollte, wird nicht ernsthaft behauptet, jeder weiß, dass „Umweltprämie“ nicht mehr als ein schönes Etikett ist. Ganz unverblümt wird diesmal mit der Wahrheit argumentiert: Die Abwrackprämie ist dafür da, der krisengefährdeten Automobilindustrie und allem, was daran hängt, einen Gewinnschub zu verleihen. Dafür soll, als ein Instrument unter anderen, die Kaufkraft des Volkes eingesetzt werden. Da der Staat weiß, dass es um die nicht zum Besten steht, greift er ihr – außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen – mit 2500 Euro unter die Arme, tut seinem Volk also die Ehre an, als wirtschaftspolitisches Instrument zu fungieren: Das Geld wird nicht direkt in die Autoindustrie gesteckt, sondern soll sich bei ihr als Nachfrage in den Autohäusern melden.
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Abwrackprämie oder:
Die schäbige Rolle
der kleinen Kaufkraft
Die Behauptung, der Staat wolle seine Bürger von ihren alten Kisten erlösen, hat gottseidank keiner in die Welt gesetzt. Auch dass er der armen Umwelt einen Gefallen tun wolle, wird nicht ernsthaft behauptet, jeder weiß, dass „Umweltprämie“ nicht mehr als ein schönes Etikett ist. Ganz unverblümt wird diesmal mit der Wahrheit argumentiert: Die Abwrackprämie ist dafür da, der krisengefährdeten Automobilindustrie und allem, was daran hängt, einen Gewinnschub zu verleihen. Dafür soll, als ein Instrument unter anderen, die Kaufkraft des Volkes eingesetzt werden. Da der Staat weiß, dass es um die nicht zum Besten steht, greift er ihr – außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen – mit 2500 Euro unter die Arme, tut seinem Volk also die Ehre an, als wirtschaftspolitisches Instrument zu fungieren: Das Geld wird nicht direkt in die Autoindustrie gesteckt, sondern soll sich bei ihr als Nachfrage in den Autohäusern melden. Überlassen wir die Frage, ob das nun für die berühmte Nachhaltigkeit und bei der Autoindustrie für Durchhaltewillen und Optimismus sorgt, den wirtschaftspolitischen Experten – klargestellt ist damit auf jeden Fall: Die Kaufkraft der Massen, die so oder so bei den Warenproduzenten landet, soll diesmal die Funktion erfüllen, eine Branche zu unterstützen, deren Wichtigkeit für den Standort D feststeht – und wird entsprechend gelenkt. Die Regierung ist erfreut, dass die Autohäuser belagert werden, was kein Wunder ist, sind doch für diese Sorte Kaufkraft 2500 Euro zweifelsohne ein Anreiz.
Viele Fachleute und Kommentatoren – beispielhaft in der
FAZ vom 9.4.09 – können diese Begeisterung jedoch nicht
teilen und melden Bedenken an, ob es diese
Funktionalisierung der Kaufkraft tatsächlich im
gewünschten Sinne bringt. Das geht los mit der Frage, ob
ein vom deutschen Staat ausstaffierter
Kaufkraftinhaber seine Kaufkraft auch in
deutsche Autos investiert – die Warnungen
früherer Tage vor „protektionistischen Tendenzen“ spielen
jetzt mal keine Rolle. Das geht dann weiter zu der Sorge,
der staatliche Eingriff verzerre den Wettbewerb schon
in der Automobilbranche und ziehe Kaufkraft aus anderen
Konsumbereichen ab
, was dann in Strohfeuer und
bald in Katzenjammer
endet – auch eine Art, zur
Kenntnis zu nehmen, dass die Kaufkraft des gemeinen
Volkes allemal eine beschränkte ist. Das ist es freilich
nicht, was den Kommentator bekümmert, die Lehre, die er
aus diesem Experiment zieht, lautet: Hier wird Geld
verschwendet, denn für ein
wirtschaftspolitisches Anliegen dieses Kalibers ist das
Volk mit seiner Kaufkraft einfach nicht geeignet, daran
ändern auch die 2500 Euro nichts. Ihm überhaupt eine
solche Funktion anzutragen, nährt daher den – in diesen
Kreisen immer vorhandenen – Zweifel, ob nicht
hinsichtlich des Verhältnisses von Staat und Bürger
grundsätzlich etwas im Argen liegt. Was ist denn die
Abwrackprämie in Wahrheit? Ein Lockangebot an die
deutsche Volksseele
. Ein „Lockangebot“, das sagt
schon das Wort, ist unseriös. Die „deutsche Volksseele“
ist dafür jedoch nur zu empfänglich: Doch erst die
Verheißung des staatlichen Zuschusses setzte die Massen
in Bewegung
. Der Staat hat also zum Kaufen verführt;
das fiel ihm nicht schwer, weil er selbst es ist, der
diese Massen zu Schnäppchenjägern erzogen hat, die auf
Lockangebote hereinfallen: Denn dazu hat der deutsche
Sozialstaat ganze Generationen erzogen: Prämienoptimierer
zu werden... Staatliche Fürsorge, in welcher Form auch
immer, trifft in Deutschland selten auf Widerspruch.
Nicht viele Politiker und Parteien warnen vor der
Entmündigung, die in ihr steckt.
Da hat sich der
Staat Geschöpfe herangezogen – und tut es mit der
Abwrackprämie gerade wieder –, die in ihrer
kurzfristigen materialistischen Vorteilssuche das gerade
Gegenteil des mündigen Staatsbürgers sind. In
seiner Verachtung, die der Kommentator diesen
Geschöpfen gegenüber empfindet, sieht er sich bestätigt,
wenn er zusehen muss, wie die Regierenden mit Hilfe der
Droge ‚Abwrackprämie‘ diese willfährige Masse in
einem Wahljahr steuern:
„Die drei Volksparteien sind sich in der Karwoche rasch einig geworden, dass man den so genannten kleinen Mann, nachdem man ihm eine kräftige Dosis Fürsorge verabreicht hat, nicht auf Entzug setzen darf.“
Eine eigenwillige Neuauflage des altbekannten Spruchs vom ‚Opium fürs Volk‘. Für diesen Kommentator, für sein Weltblatt, für die Klientel, die sich in diesem Blatt wiederfindet und die für 2500 Euro nicht einmal ein müdes Lächeln übrig hat, beweist die Abwrackprämie wieder mal nur eines: Armut schändet. Und wenn es die Herrschenden hierzulande für nötig befinden, diesen Konsumentenpöbel zu manipulieren, dann wirft das kein gutes Licht auf diese Demokratie. Eine mündige Demokratie schenkt nicht armen Leuten Geld, sondern setzt sie auf Entzug.