Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Wahlen in Sachsen-Anhalt. Nach 20 Jahren:
Nach 20 Jahren: Der Anhaltiner fängt endlich an, seine Demokratie zu verstehen
Vor der Wahl in Sachsen-Anhalt bemängeln die Journalisten den defizitären demokratischen Geisteszustand des „unberechenbaren“ anhaltinischen Wählers. Von diesen Ossis ist nämlich die eine Hälfte bislang durch notorische „politische Wankelmütigkeit“ (SZ, 19.3.11) ausgezeichnet, hat „seit der Wiedervereinigung so unstet gewählt wie nirgends sonst“ (FAZ, 22.3.), hat also exzessiv an den Wahlurnen seine Launen und fehlende staatsbürgerliche Verlässlichkeit auf Kosten verlässlichen Regierens ausgetobt. Da tut seitens der öffentlichen Wächter Aufklärung über das korrekte Verhältnis von Volksherrschaft zu Wahlvolk Not: Das Wahlrecht ist kein Freibrief, nach Lust und Laune und irgendwelchen „bloß“ subjektiven Gründen von Untertanen zu wählen. Das Wahlrecht ist das Recht und damit die Verpflichtung des Volkssouveräns, mit der Wahl stabile Herrschaftsverhältnisse und souveränes Regieren herzustellen. Wenn das nicht das Ergebnis ist, hat der „volatile“ Volkswille sein Wahlrecht dysfunktional gebraucht.
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Wahlen in Sachsen-Anhalt.
Nach 20
Jahren: Der Anhaltiner fängt endlich an, seine Demokratie
zu verstehen
Vor der Wahl in Sachsen-Anhalt bemängeln die Journalisten
den defizitären demokratischen Geisteszustand des
unberechenbaren
anhaltinischen Wählers. Von diesen
Ossis ist nämlich die eine Hälfte bislang durch
notorische politische Wankelmütigkeit
(SZ, 19.3.11) ausgezeichnet, hat seit
der Wiedervereinigung so unstet gewählt wie nirgends
sonst
(FAZ, 22.3.), hat
also exzessiv an den Wahlurnen seine Launen und fehlende
staatsbürgerliche Verlässlichkeit auf Kosten
verlässlichen Regierens ausgetobt. Da tut seitens der
öffentlichen Wächter Aufklärung über das korrekte
Verhältnis von Volksherrschaft zu
Wahlvolk Not: Das Wahlrecht ist kein Freibrief,
nach Lust und Laune und irgendwelchen „bloß“ subjektiven
Gründen von Untertanen zu wählen. Das Wahlrecht ist das
Recht und damit die Verpflichtung des Volkssouveräns, mit
der Wahl stabile Herrschaftsverhältnisse und
souveränes Regieren herzustellen. Wenn das nicht das
Ergebnis ist, hat der volatile
Volkswille sein
Wahlrecht dysfunktional gebraucht.
Demokratisch genauso übel, wenn nicht übler, benimmt sich
die andere Hälfte der Anhaltiner, die noch nicht mal
falsch, sondern gar nicht wählt. Ein beschämendes
Bild
, dass beim letzten Urnengang vor fünf Jahren
mit 44,4 Prozent es gerade einmal jeder zweite
Wahlberechtigte für nötig befunden hat, wählen zu gehen –
ein Tiefpunkt für eine Landtagswahl
. (SZ, 19.3.) Da
ist die zweite Lektion in Sachen Demokratie fällig: Wo
das Volk nicht nur regiert wird, sondern auch die dafür
zuständige Mannschaft frei auswählen darf, darf man diese
elementare Freiheit nicht einfach ausschlagen und gleich
gar nicht entscheiden wollen, von wem man regiert werden
will. Mit dem Auswahlrecht zwischen den Figuren,
von denen man regiert wird, das den Bürgern mit der
Wahl spendiert wird, ist das Recht der
Herrschaft auf die prinzipielle Zustimmung der Bürger
in der Wahl erworben.
Bei dieser Wahl hat der anhaltinische Gesamtwähler mal
demokratisch alles richtig gemacht und sein Wahlkreuz
korrekt aufgeteilt: Er hat das Bündnis von CDU und SPD
am Sonntag geradezu enthusiastisch bestätigt
(FAZ, 22.3.) und damit die
konservativen Anwälte der Regierung zufriedengestellt. Er
hat die Richtigen und nicht die Falschen gewählt und
dafür gesorgt, dass für die Radikalen auf der Linken
der Sonntag kein guter Tag war
(FAZ, 21.3.), und die demokratische
Kultur zum Sieger gemacht, weil die NPD es nicht in den
Landtag geschafft hat
. (Nahles, Generalsekretärin
SPD, SZ, 21.3.) Respekt vor dem Bürger, wenn der an der
Wahlurne nicht schon wieder seine Unzufriedenheit mit den
regierenden Parteien betätigt, sondern demokratische
Reife beweist und sich zur Zufriedenheit der Auguren
dieses Wahlkampfs ohne Wenn und Aber zur Demokratie
bekennt, nämlich zu der Regierungsmehrheit, die sie sich
wünschen, und sich mit seinem Wahlkreuz gegen Kritiker
und Gegner ausspricht.
So lieben wir den demokratischen Anhaltiner. Und wenn er
dann noch die Appelle an die Wähler, unbedingt ihre
Stimmzettel auszufüllen und so eine halbwegs ordentliche
Wahlbeteiligung zu erreichen
(SZ, 19.3.), befolgt und seine
Wahlmüdigkeit mit einer tollen Steigerung um annähernd
acht Prozentpunkte besiegt, dann können seine
Lebensumstände sein wie sie wollen, demokratisch gesehen
lässt sich sein Wahlverhalten auch als Spiegel einer
insgesamt höheren Zufriedenheit der Bürger mit ihren
Lebensverhältnissen interpretieren
. (FAZ, 21.3.)